Tobias Daniel, VW-heute, vom 22. Januar 2018

Seit 2002 werden verkauft das Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin die Namen für die meteorologischen Hoch- und Tiefdruckgebiete. Das jüngste Orkantief “Friederike” kostete die Namenspatin 199 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Versicherer kommen die Auswirkungen aber deutlich teurer zu stehen. Schätzungen gehen von einem höheren dreistelligen Millionenbetrag aus.

Die Bilanz von Orkantief “Friederike” ist so verheerend, dass bereits Erinnerungen an “Kyrill” vor exakt elf Jahren wach wurden. So forderte “Friederike” am vergangenen Donnerstag mindestens acht Tote. Dabei zog der Orkan eine breite Schneise der Verwüstung von Nordrhein-Westfalen über Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen. Allerdings waren auch die anderen Bundesländer von den Auswirkungen betroffen.

Auch der Bahn- und Flugverkehr wurde durch “Friederike” massiv beeinträchtigt. So mussten allein die Flughäfen Köln/Bonn sowie der niederländische Airport Amsterdam Schipol ihren Flugbetrieb vorübergehend komplett einstellen. Auf den übrigen deutschen Flughäfen kam es zu Flugausfällen.

Die Deutsche Bahn musste zudem am Donnerstag den Fernverkehr bundesweit einstellen, der Regionalverkehr war teils massiv beeinträchtigt. Die Folge waren nach Unternehmensangaben 200 beschädigte Streckenabschnitte sowie ein Schaden am Streckennetz in Millionenhöhe. Kritik gab es hingegen vom Fahrgastverband Pro Bahn: “Vorsicht ist natürlich immer eine gute Sache, aber man kann auch übervorsichtig sein”, sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann.

Versicherer rechnen mit hohen Millionenschäden

Die aktuarielle Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) schätzt die versicherten Schäden durch “Friederike” auf etwa 800 Mio. Euro. “Verglichen mit ‘Kyrill’ fiel das Sturmfeld von ‘Friederike” enger und kleinräumiger aus und der Sturm zog schneller durch”, betont der Versicherungsmathematiker und MSK-Geschäftsführer Onnen Siems. “Kyrill” hatte vor genau elf Jahren einen versicherten Schaden von mehr als zwei Mrd. Euro verursacht.

Etwas niedriger fallen hingegen die Schadenschätzungen des GDV aus. So rechnet der Branchenverband ersten Berechnungen zufolge mit versicherten Schäden über 500 Mio. Euro. Damit würden das Schadenausmaß von “Friederike” noch unter den fünf schwersten Winterstürme liegen.

Daneben gaben auch verschiedene Versicherer bereits erste Schadenschätzungen bekannt. So geht die Provinzial Rheinland in ihrem Geschäftsgebiet ersten Schätzungen zufolge mit einer Schadenssumme von bis zu 80 Mio. Euro. Besonders betroffen seien dabei der Niederrhein und das nördliche Ruhrgebiet, sagte eine Unternehmenssprecherin gegenüber VWheute. Dabei habe der Orkan erhebliche Schäden angerichtet, viele Bäume seien umgestürzt und Dächer wurden beschädigt.

Deutlich höher fällt hingegen die Schadenprognose der Westfälischen Provinzial aus: “Nach einer ersten Schätzung erwarten wir einen voraussichtlichen Schadenaufwand von 100 bis 130 Mio. Euro. Neben Schäden im Privatkundenbereich, etwa durch abgedeckte Dächer oder umgestürzte Bäume, sind auch bereits einige Großschäden bei uns gemeldet worden”, erläuterte eine Unternehmenssprecherin.

Auch die VHV Versicherungen rechnet nach Angaben eines Unternehmenssprechers “mit einem Millionenschaden. Es ist aber noch zu früh, um auch nur eine grobe Schätzung der Schadensumme abzugeben. Was wir sagen können ist, dass wir bei der Anzahl der Anrufe, die bisher bei uns eingegangen sind, über der Zahl der Anrufe bei Xavier vom Oktober 2017 liegen. Die VHV ist aber auf solche Unwetterereignisse vorbereitet”. Der Allianz liegen auf Anfrage von VWheute derzeit hingegen noch keine konkreten Informationen vor.
Besonders getroffen hat “Friederike” auch die Wiesbadener Gartenbau-Versicherung. Dabei seien der GV allein bis Freitagvormittag knapp 300 Schäden gemeldet worden. Allerdings rechnet der Versicherer insgesamt mit weiteren Meldungen, die eine Anzahl von 400 bis 500 erreichen könnte.

Zwei Drittel bewegen sich im Bereich kleineren Ausmaßes, circa zehn Prozent der betroffenen Betriebe haben über 100 zerstörte Scheiben und damit größere Schäden zu vermelden, konstatiert die GV weiter. In einem Einzelfall liege der Schaden wahrscheinlich sogar bei rund 1.000 zu Bruch gegangener Scheiben. Zudem gab es etliche Schäden an Folienhäusern, da in einigen Gebieten während des Sturms der Strom ausgefallen ist.

Zudem verzeichnete die GV in den Niederlanden bislang auf rund 50 Schäden. Allerdings werden weitere 30 bis 50 erwartet. In wenigen Einzelfällen sind Großschäden zu verzeichnen, wobei sich der Großteil eher auf kleinere Schäden beschränkt.

Verbraucherschützer und GDV streiten um Elementarversicherung

Bereits Anfang 2018 hatte Sturmtief “Burglind” nach GDV-Angaben einen Schaden von deutlich unter 500 Mio. Euro angerichtet. Zudem sorgen Schneeschmelze und der Dauerregen in der ersten Januar-Hälfte für neue Hochwasser an Deutschlands Flüssen.

Die Verbraucherschutzzentrale Rheinland-Pfalz übte nun deutliche Kritik an den Versicherern beim Thema Hochwasserschutz. “Die Versicherungssituation im Bereich Starkregen und Hochwasser hat sich in unseren Augen überhaupt nicht verbessert und das, obwohl alle Seiten immer wieder übereinstimmend feststellen, dass die Schäden insbesondere durch Starkregen permanent steigen”, kritisierte Michael Wortberg, Versicherungsreferent der Verbraucherzentrale.

Dabei könne das System mit bezahlbaren Prämien für alle Hausbesitzer nur dann funktionieren, wenn es eine Pflichtversicherung gäbe, durch die die Kosten solidarisch verteilt würden, so die Meinung des Versicherungsexperten. So habe eine Umfrage zur Elementarschadensklausel in der Wohngebäudeversicherung vom Herbst 2017 ergeben, dass nur drei von 52 angeschriebenen Versicherern in Risikogebieten von sich aus eine Versicherungspolice gegen Schäden durch Hochwasser und Starkregen ohne Selbstbeteiligung anbieten würden.

“Das Ergebnis ist enttäuschend. 22 der befragten 52 Gesellschaften haben entweder gar nicht erst geantwortet, eine Antwort ausdrücklich verweigert oder unverständliche Antworten abgegeben. Die Verbraucherzentrale geht davon aus, dass diese Gesellschaften überhaupt kein Interesse daran haben, ihren Versicherten Elementarschutz zu gewähren. Dabei behauptet der GDV immer, dass mehr als 98 Prozent aller Wohngebäude in Deutschland problemlos versicherbar seien”, konstatiert Wortberg.
Der GDV sieht dies hingegen anders: “Die aktuelle Studie der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz zur Versicherbarkeit von Elementarschäden ist erkennbar darauf ausgerichtet, das Versicherungsangebot viel geringer und schlechter erscheinen zu lassen, als es tatsächlich ist. Obwohl die Verbraucherzentrale mit der Studie nach eigenem Bekunden herausfinden wollte, “ob in den verschiedenen Gefahrengebieten Privathäuser überhaupt versichert werden können’, wurde diese einfache Frage den Versicherern überhaupt nicht gestellt”, erläuterte ein GDV-Sprecher.

Stattdessen habe “die Verbraucherzentrale lediglich interessiert, welche Versicherer für den Versicherungsschutz gegen Elementargefahren das ‘Opt-Out-Verfahren” nutzen, also ihren Kunden den entsprechenden Baustein vorgedruckt auf dem Antragsformular vorschlagen. Diese Frage ist aber nicht der richtige Indikator zur Überprüfung eines Versicherungsangebotes, der Verfügbarkeit oder der Versicherungsdichte. Versicherer sprechen ihre Kunden in Bezug auf die erweiterte Naturgefahrenversicherung unterschiedlich an, gleiches gilt für die Beratung”, so der Verband.

Vielmehr seien die Ergebnisse “bei genauer Betrachtung der Umfrage für die Hausbesitzer in Rheinland-Pfalz vielmehr positiv: Mehr als die Hälfte der befragten Versicherer nutzt tatsächlich das von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz favorisierte Opt-Out-Verfahren, selbst in der höchsten Risikoklasse sind es immer noch 28 Prozent. Andere Versicherer versuchen, ihre Kunden auf anderen Wegen vom Versicherungsschutz gegen Elementargefahren zu überzeugen”, heißt es beim GDV.

Neue Furcht vor Wetterrisiken und Naturkatastrophen

Unwetter wie “Friederike” oder “Burglind” werden die Unternehmen und Versicherer jedoch auch in Zukunft immer mehr beschäftigen. Laut aktuellem Global Risks Report 2018 des Weltwirtschaftsforums (WEF) gehören demnach extreme Wetterereignisse und Naturkatastrophen sowie digitale Attacken zu den größten Risiken. Auch bei den deutschen Risikomanagern ist die Angst vor Schäden aus Wetterereignissen durch die rekordverdächtigen Schäden aus Naturkatastrophen laut Risiko-Barometer 2018 der Allianzwieder auf die Agenda gerückt.