Ellen Bocquel, bocquel-news, vom 10. August 2017
Blitzalarm und heftiges Unwetter über Teilen Deutschlands. Vor 14 Tagen überschwemmte Tief Alfred Straßen, Brücken und Keller. Nach ersten Berechnungen von Meyerthole Siems Kohlruss entstanden Schäden in zweistelliger Millionen-Höhe. Am schlimmsten traf es die Altstadt von Goslar in Niedersachsen.
Tief Alfred brach mit heftigem Dauerregen über Deutschland herein, regional verstärkt durch konvektive Niederschläge. Das Unwetter hielt Tausende Feuerwehleute auf Trab. Besonders betroffen war der Harz. „Wir schätzen den versicherten Schaden durch Tief Alfred für Deutschland auf einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag", sagt Onnen Siems, Geschäftsführer der aktuariellen Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (www.aktuare.de).
Gebietsweise wurden am 25 Juli hier 100 Millimeter als durchschnittliche Regenmenge gemessen. Die 48-stündigen Werte lagen bei über 200 Millimeter und standen damit höher als im gesamten restlichen Juli.
Klimawandel und Extremwetterereignisse
Eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass der Klimawandel immer öfter Extremwetter zur Folge habe. Wissenschaftler erstellten hierzu eine Prognose über die Auswirkungen der extremen Wetterereignisse auf das zukünftige Leben in Europa. Demnach rechnen die Autoren der Studie dass allein in den Jahren 2071 bis 2100 in den EU-Ländern sowie der Schweiz und Island jährlich voraussichtlich 80.000 bis 240.000 Menschen Opfer des Klimawandels werden und zu Tode kommen. Basis für die wissenschaftlichen Annahmen fußen auf circa 2.300 Berichten über die Folgen von extremem Wettergeschehen aus den Jahren 1981 bis 2010. Auch Auswertungen des Rückversicherers Munich Re zählten dazu.
Demnach sollen von 1981 bis 2010 im Durchschnitt etwa 3.000 Europäer durch Wetterkatastrophen den Tod gefunden haben. Sollten weitere Anpassungsmaßnahmen ausbleiben, werden nach der Forschungsprognose etwa 48.000 bis 180.000 Menschen in den Jahren von 2041 bis 2070 wegen klimatischer Einflüsse sterben; von 2071 bis 2100 sollen es deshalb jährlich etwa 81.000 bis 240.000 Todesfälle sein.
Überschwemmungen an Flüssen und an der Küste sind am häufigsten
Als gefährlichste Extremwetterereignisse nennen die Wissenschaftler Überschwemmungen an Flüssen und an der Küste, Dürre, Waldbrände, Stürme sowie Kälte- und Hitzewellen. Allein 99 Prozent der wetterbedingten Todesopfer könnten demnach auf die künftigen hohen Temperaturen zurückzuführen sein - für den Modellzeitraum von 2071 bis 2100. In Zentraleuropa (Deutschland, Schweiz, Österreich und Tschechien) würden 64 Prozent von den Folgen des Klimawandels direkt betroffen. Wetterbedingt würden bis zum Ende des Jahrhunderts jährlich 232 pro 1 Million Einwohner vorzeitig sterben. Nordeuropa steht in den Prognosen besser da. Hier würden nur 36 Prozent der Bevölkerung betroffen sein – das wären jährlich drei Toten pro einer Million Einwohner.
Die Hochwasserschäden an Flüssen haben inzwischen laut Aussagen des Geoforschers der Munich Re, Peter Höppe stark abgenommen. „Das liegt an verbessertem Hochwasserschutz”, so Höppe. Gleichzeitig werde jedoch ein signifikanter Anstieg der Schäden durch Gewitter verzeichnet. „Gegen Gewitter kann man sich nicht so gut schützen wie gegen Flussüberschwemmungen, gegen materielle Schäden durch starke Tornados kann man eigentlich gar nichts tun”, betont Peter Höppe. Der Klimawandel verursache in jedem Fall Kosten – sei es durch erhöhte Präventionskosten oder durch Schäden, wenn niemand Vorsorge betrieben hat, oft sogar weil es hier schlicht unmöglich war.
Siemens meldete für 2016 deutlich weniger Blitzeinschläge als in den Vorjahren. Die Wetterforscher verzeichneten demnach im vergangenen Jahr insgesamt 431.644 Blitzeinschläge in Deutschland: die höchste Dichte im Stadtstaat Hamburg (1.215 Blitze) und in Nordrhein-Westfalen (56.151 Blitze) mit einer Blitzdichte von 1,65 Blitzen pro Quadratkilometer, gefolgt von Berlin (1.333 Blitze) mit einer Blitzdichte von 1,50 Blitzen pro Quadratkilometer. Schlusslicht waren Thüringen (12.057 Blitze) mit einer Dichte von 0,75 Blitzen, Sachsen-Anhalt (14.747 Blitze) mit 0,72 Blitzen und Schleswig-Holstein (10.882 Blitze) mit 0,69 Blitzen pro Quadratkilometer.
„Alfred“ zog von Nord nach Süd
Zurück zu „Alfred“: Am 26. Juli hatte sich das Hauptniederschlagsgebiet vom Norden zum Voralpenraum verlagert. Die Niederschläge sorgten auch hier in etlichen Orten für Überschwemmungen. Da jedoch die Deiche weitgehend hielten, konnte größerer Schaden abgewendet werden.
Aber die niedersächsische Stadt Goslar war besonders betroffen. Hier war die historische Altstadt geflutet, in Tausenden Haushalten standen die Keller voller Wasser. Es ging praktisch nichts mehr. Den Angaben zufolge hielten sich allerdings die versicherten Schäden in Grenzen, weil längst nicht für jedes Haus eine Elementarversicherung bestand – leider auch in vielen der denkmalgeschützten Gebäude, für die Goslars Altstadt berühmt ist. „In Niedersachsen ist die Elementaranbindung mit 18 Prozent im Vergleich zu anderen Bundesländern generell schon sehr gering", erläutert Onnen Siems.