Onnen Siems, Versicherungswirtschaft-heute, vom 5. September 2018
Die Digitalisierung in der Kfz-Versicherung hat eine glitzernde Seite. Sie ist das Thema der Stunde. Versicherer, die "Big Data" oder "intelligente Algorithmen" nutzen, stehen als modern und auf der Höhe der Zeit da. Dies ist sicher auch ein Grund, weshalb Telematik-Produkte mittlerweile von der Hälfte der deutschen Kraftfahrtversicherer (nach Beitragsvolumen) angeboten werden.
Doch die Digitalisierung hat auch einen weniger glanzvollen Anteil. Denn sie ist mehr als nur ein Label für Produktinnovationen, die das klassische Angebot ergänzen. Und auch einfach nur IT einzusetzen, die stetig verbessert wird, reicht nicht aus. Nötig ist ein bewusstes, planvolles Vorgehen. Dabei muss auf den Prüfstand gestellt werden, wie Daten erhoben und welche Schlüsse aus ihnen gezogen werden. Nur eine durchdachte Daten-Architektur kann es ermöglichen, mehr Informationen über den Kunden und das zu versichernde Risiko zu erfassen und zu analysieren und diese Erkenntnisse am Ende in kreativen Geschäftsmodellen abzubilden. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Doch ohne die Ärmel hochzukrempeln, wird das nicht gehen.
Zurecht heißt es, "Veränderung hat keine Anhänger". Obwohl jeder zustimmt, dass Daten das Gold der Zukunft seien, gilt das Thema als unliebsam. Ein professionelles Datenmanagement – oder auch ein eigenes Vorstandsressort – können in Deutschland nicht viele Unternehmen aufweisen. Ein weiteres Thema, das sicher wenig sexy klingt, aber doch zum Grundwerkzeug der Digitalisierung gehört, ist die Datenhygiene. Hier ist ein Prozess zu definieren, in dessen Rahmen sie fortlaufend verbessert wird. Denn was bringen die schönsten Produkte, wenn ein Unternehmen durch fehlerhafte und ungepflegte Daten letztlich im Blindflug ist? Dringend zu empfehlen ist auch ein Blick über den Tellerrand – etwa, indem Daten des GDV sowie aus Gemeinschaftsstatistiken mit anderen Versicherern (Datenpools) einbezogen werden. Gerade wird ein Pool für Telematik ins Leben gerufen, der es ermöglicht, innovative Ideen auf ein sauberes Fundament zu stellen. Digitalisierung schafft Raum für Kreativität. Dies ist ein Grund für ihre Strahlkraft. Doch hierfür müssen eben auch die Grundlagen stimmen.
Digitalisierung bedeutet einen Wandel, der sich nicht aussitzen lässt. Dies verdeutlicht eine aktuelle McKinsey-Studie. Durch die Digitalisierung sollen demnach bis zu 40 Prozent der Stellen in der Assekuranz entfallen. Das ist nicht erfreulich. Doch den Kopf in den Sand zu stecken, ist keine Lösung. Es geht nicht um Veränderung um der Veränderung willen. Glitzernde Oberflächen und das kurzlebige Aufgreifen aktueller Trends führen nicht weiter. Nötig sind jetzt umfassende Strategien, die kritischen Nachfragen standhalten. Nur sie können ein Unternehmen in die digitale Zukunft tragen.