Die Versicherer haben ihre Hausaufgaben gemacht. Zum 1.1.2016 greift die mehrmals verschobene, europäische Mammutreform "Solvency II". Die Branche folgt damit den Banken, die ihre Lehren aus den Finanzkrisen der letzten Jahre gezogen haben. Ziel ist ein besserer Verbraucherschutz. Viele erwarten eine Marktbereinigung - und höhere Preise.

Das EU-Projekt Solvency II zwingt alle Versicherer, ihr Risikokapital nach modernen Verfahren neu zu ermitteln, ein verbessertes Risikomanagement einzurichten und eine Vielzahl zusätzlicher Berichte zu erstellen. Künftig bestimmt eine europaweit gültige "Standardformel" die Höhe des mindestens vorzuhaltenden Risikokapitals. Dabei steigen die Beiträge für einzelne Versicherungssparten zum Teil erheblich, da die Standardformel das Risiko der Unternehmen adäquater als bisher bemisst. "Als Folge können Verbraucherpreise z.B. bei Produkten mit Naturgefahrdeckungen wie der Wohngebäudeversicherung anziehen", sagt der Mathematiker und Aktuar Dietmar Kohlruss von der Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss aus Köln.

Durch Solvency II müssen die Versicherer ihre Kapitalverhältnisse nicht nur der Aufsichtsbehörde BaFin offenlegen, manche Informationen werden künftig auch öffentlich zugänglich sein. "Dadurch werden die Karten auch bei der Bewertung von Unternehmen in Ratings oder Produktvergleichen neu gemischt.“ Die Folge kann eine Veränderung in der bisherigen Versicherungslandschaft von ca. 400 Unternehmen in Deutschland sein. "Vom Markt verschwinden werden aber nur wenige Versicherer aufgrund von Solvency II. Die Reform legt aber bereits bestehende Schwachstellen auf. Es ist wie bei brüchigen Bäumen, von denen ein Fachmann bereits vor dem Sturm absehen kann, dass er fallen wird", sagt Kohlruss. Die Versicherungsunternehmen stöhnen unter dem immensen Aufwand, den ihnen der „Sturm“ Solvency II jetzt schon seit Jahren beschert hat. Diverse Umstellungen und teilweise überzogene Nachweispflichten sind nötig.

Der Aufbau von Kompetenz für die neuen Berechnungen wird zur Pflicht. "Die Branche wird ein Stück weit mathematischer." Einige sehen die Reform als eine weitere Front im Papierkrieg, andere als "Zwang zum Glück" - zumal die Berechnungen auch dem Unternehmen eine neue Klarheit bringen. Den Verbrauchern gibt Solvency II ein Stück weit mehr Transparenz, wie Versicherer für Krisenzeiten ausgestattet sind. "Auch wenn dies in einigen Fällen für den Einzelnen höhere Preise bedeutet - am Ende kann es ein Gewinn für alle sein", sagt Dietmar Kohlruss.

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Meyerthole Siems Kohlruss

Meyerthole Siems Kohlruss wurde 1998 in Köln als erste deutsche aktuarielle Beratungsgesellschaft gegründet und begleitet Versicherungsunternehmen bei strategischen Entscheidungen und operativen Prozessen. Die Tätigkeitsschwerpunkte liegen in Datenpools, Tarifierung, Reservebewertung, Rückversicherung und Solvency II.