Maximilian Volz, VW-heute, vom 1. Februar 2018

Was man mittels Datenanalyse lernen kann. Das war die wichtigste Erkenntnis des “Pressefrühstücks Versicherungsmathematik” der Aktuar-Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss in Berlin. Dass die Versicherer in bestimmten Datenfragen trotz Solvency II eine gewisse Laissez-faire-Einstellung pflegen, war nicht die einzige Überraschung.

Die beiden Geschäftsführer und Gesellschafter Andreas Meyerthole und Onnen Siems erklärten bereits zu Beginn der Veranstaltung, dass Solvency II mehr ist als Lebensversicherung, Run-off und Zinszusatzreserve. Die Aktuare haben beispielsweise eine Stichprobe der SFCR-Berichte – 175 Versicherer – im Bereich Komposit untersucht und festgestellt, dass die mittlere Solvency-Bedeckung der Unternehmen zwar 285 Prozent beträgt, die Unterschiede jedoch eklatant sind. Vereinfacht ausgedrückt haben die VVAG’s eine höhere Deckung als öffentlichen Versicherer, am schlechtesten schneiden die Aktiengesellschaften ab.

Laut Meyerthole liege das daran, dass Aktiengesellschaften das Geld mehr “managen würden”, die VVAG’s wären konservativer und würden im Zweifelsfall “eher sammeln”. Immerhin 15 Prozent der in der Stichprobe auftauchenden Unternehmen weisen lediglich eine Deckung von 100 bis 150 Prozent auf. Die Bafin verlangt nach unbestätigten aber übereinstimmenden Meldungen von neuen Sachversicherern eine Deckung von rund 150 Prozent. Es gibt also Unternehmen, die alleine unter Solvency-Gesichtspunkten heute wohl keine Erlaubnis zum Betrieb bekommen würden.

Innerhalb der Unternehmensstrukturen gibt es ebenso klare Unterschiede. Größere VVAG’s, beispielsweise Huk oder Debeka, haben in der Regel bessere Deckungsquoten als Kleinere. Stimmt also der Vorwurf, dass Solvency mittlere und kleine Häuser über Gebühr belastet? Meyerthole wiegelt ab: “Wer ohne Solvency II gut aufgestellt war, ist es auch mit.” Schöner hätte es Frank Grund auch nicht sagen können.

Feuer > Wasser?

Ein wenig zu kurz kommt laut Meyerthole bei der laufenden Diskussion um Sturm- und Überschwemmungsschäden die Gefahr Feuerkumul, also wenn beim gleichen Versicherer mehrere versicherte Risiken durch ein einziges Schadenereignis betroffen sind, zum Beispiel bei einem Großbrand Da es in Deutschland seit “langer Zeit” keine größeren Schäden in diesem Bereich mehr gegeben habe, werde das Thema unterschätzt.

Oft würden die Versicherer die Gefahr von Schäden mittels “Erfahrungswerten anstatt mit Algorithmen” einschätzen, was zu Problemen führen könnte. Besonders dann, wenn die Unternehmen nicht alle wesentlichen Daten zur Gefahr Feuerkumul “in den operativen Systemen präsent” haben. Besonders im Industrie- und Firmengeschäft wäre manchen Versicherern oft nicht genau bekannt, welche Immobilien den Risikokern bilden würden.

Auf Nachfrage warum einige Versicherer gerade in diesem Punkt schludern, nannte Siems “veraltete IT” und das Ressourcenmanagement. Das Thema habe bei vielen Versicherern keine Priorität, zudem würden viele Daten in alten Verträgen verborgen liegen, die erst wieder aufbereitet und in das operative System eingefügt werden müssten, was die genannten Ressourcen bindet.

Cyberpool soll Kalkulation vereinfachen.

Einen deutlichen Anstieg bei der Cyberversicherung erwarten die Aktuare in der Zukunft. Siems zählt 2017 bereits 20 Anbieter, die sich auf dem Markt bewegen, im laufenden Jahr werden “weitere Versicherer” dazukommen. Aktuell belaufe sich das Beitragsvolumen auf etwa 100 Mio. Euro.

Im Jahr 2023 werde die Cyberversicherung für Unternehmen dagegen so “normal sein wie eine Feuerversicherung”, vermutet Siems. Problematisch sei für Aktuare und Versicherer die Einschätzung von Schäden. Aus diesem Grund baut die Gesellschaft für Aktuar-Beratung gemeinsam mit dem Rückversicherer E+S einen Datenpool auf, der relevanten Daten der Versicherer zum Thema Cyberversicherung sammelt und auswertet.