Dr. Andreas Meyerthole, VW-heute, vom 4. April 2018

Zu Solvency II gibt es viele verschiedene Meinungen – kommt ganz darauf an, wen man fragt. Andreas Meyerthole, geschäftsführender Gesellschafter der aktuariellen Beratungsfirma Meyerthole Siems Kohlruss, zieht eine positive Solvency II-Bilanz der Versicherer und zeigt in seinem Gastbeitrag auf, was künftig wichtig wird.

Die deutsche Übersetzung von Artikel 5 des kölschen Grundgesetzes lautet: Sei offen für Neuerungen. Und so schlimm wie befürchtet ist es mit Solvency II doch gar nicht gekommen.
Gab es zum 1. Januar 2016 noch einige Versicherer, die es nicht über die 100-Prozent-Marke geschafft haben, so sind mittlerweile alle über diese Hürde gesprungen. Im Schnitt betrugen die Eigenmittel zum 31. Dezember 2016 ca. 267 Prozent des erforderlichen Risikokapitals. Doch naturgemäß sagt der Mittelwert wenig über die Streuung aus.

Immerhin 14 Prozent der Schadenversicherer konnten nur eine Bedeckung von maximal 150 Prozent nachweisen. Auf der anderen Seite verzeichnete fast ein Viertel der Versicherer eine Bedeckung von mehr als 300 Prozent. Aber wer sind die Gewinner?

Man gelangt schnell zu der Erkenntnis, dass Versicherungsvereine im Mittel eine deutlich bessere Bedeckung aufweisen als Aktiengesellschaften; verantwortlich für diesen Effekt sind jedoch die großen Versicherungsvereine, je geringer die Beiträge, desto geringer der Effekt.

Es bleiben die üblichen Fragen:

Führt Solvency II zu einer Marktbereinigung? Ich kann das beim besten Willen nicht erkennen. In der Regel gilt: Wer ohne Solvency II gut aufgestellt war, ist es auch mit. Bei einigen Spezialversicherern denkt man: Das ist doch ein gutes und sichereres Geschäftsmodell, aber wie sollen wir das dem Standardmodell beibringen.

Sind interne Modelle eine Lösung? Interne Modelle sind bisher den Großen vorbehalten und daran wird sich wohl auch nichts ändern. Dazu ist der finanzielle und personelle Aufwand der Einführung und Pflege einfach zu groß. Aber unternehmensspezifische Parameter können eine Ventillösung sein, die mit deutlich weniger Aufwand auch von mittelständischen Gesellschaften zu bewältigen sind.
Für die nächsten Jahre wird es wohl eher darum gehen, zu einer einheitlichen und proportionalen Anwendung der Vorgaben zu gelangen. Ich kann mich an keinen Mandanten erinnern, wo es im Rahmen der Bewertung nicht große Ermessenspielräume gegeben hätte. Ein Blick auf die veröffentlichten SFCR zeigt auch, dass es diese Spielräume insbesondere bei der Ermittlung der Best Estimates geben muss. Anders lassen sich die Spannbreite der Ergebnisse für die Schaden- und Prämienrückstellung nicht erklären.

Am Ende stellt sich noch die Frage, ob sich für die Verbraucher auch für die Ergebnisse interessieren. Für die war es schließlich auch gedacht. Glaubt man einem unserer Mandanten, so waren die Zugriffe auf den SFCR auf seiner Website auch nach Monaten noch in Summe einstellig. Aber das kann ja noch werden.