Monika Lier, VWheute, vom 4. Juli 2018

„All unsere Entscheidungen richten sich danach, unseren Mitgliedern ein Höchstmaß an Leistungen zur Verfügung zu stellen." Solche Aussagen hört man des Öfteren bei den Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit. Gerne wird der Gemeinschaftsgedanke in den Vordergrund gestellt. Doch ist das alles bloßes Selbstlob – oder halten die Behauptungen einer Überprüfung mit Zahlen stand?
Während Aktiengesellschaften naturgemäß ihr Wachstum über den Kapitalmarkt finanzieren, sind die Möglichkeiten der Fremdkapitalaufnahme für Versicherungsvereine (VVaG) recht begrenzt. Die Folge: Versicherungsvereine sparen seit jeher ihre Gewinne, weil ihnen auch die renditehungrigen Aktionäre fehlen. Und ihre so erarbeitete Substanzstärke preisen die Vereine auch gerne laut.
"Wenn sich das Ausschüttungsverhalten der Versicherungsaktiengesellschaften in der Zukunft so fortentwickelt, dann wird die Substanzstärke der Versicherungsvereine zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bei Versicherungsaktiengesellschaften haben die Gewinnausschüttungen immer mehr an Bedeutung gewonnen, was teilweise durch eine Reduzierung der Reservierungsquote finanziert wurde und darüber hinaus zu einer Verringerung der Solvenzmittel geführt hat. Bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit wird das Erfordernis der durchgängigen Innenfinanzierung offensichtlich mit Erfolg betrieben", schreibt Gothaer-Chef Karsten Eichmann in einer aktuellen Imagebroschüre seines Hauses.

Einer Kurzanalyse für die SCR-Quoten 2017 von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) zufolge haben die deutschen Schaden- und Unfallversicherer ihre SCR-Quoten 2017 insgesamt um sieben Prozentpunkte auf durchschnittlich 277 Prozent verbessert. Die Solvenzquote der Versicherungsvereine ist mit durchschnittlich 420 Prozent höher als die der Aktiengesellschaften mit 225.

Von den 164 untersuchten, unter Bafin-Aufsicht stehenden Erstversicherern hätten drei Firmen bei der SCR-Quote enorm zugelegt, andere aber bis zu 100 Basispunkte verloren. Bei den 38 untersuchten VVaG hatten insbesondere die sieben größten Vereine eine außerordentlich hohe Bedeckung. So kamen Vereine mit mehr als 250 Mio. Euro verdienter Bruttobeiträge auf eine SCR-Quote von im Mittel 423 Prozent. Auch die kleinen Vereine mit weniger als 50 Mio. Euro Prämie wiesen eine hohe Quote von durchschnittlich 453 Prozent auf, während die Gruppe der VVaGs im Mittelfeld dieser Prämiengröße nur 193 Prozent erzielten.

AG´s unter dem Niveau von VVaG's

Die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) jüngst zur Erstversichererstatistik ausgewiesenen Eigenkapitalsätze scheinen einen Teil der Aussagen der VVaGs auf den ersten Blick zu belegen. Bei den Schaden- und Unfallversicherern sind die Eigenkapitalsätze der Aktiengesellschaften zwischen 2014 und 2016 brutto wie netto geschrumpft und liegen deutlich unter den Niveaus der VVaGs. Diese haben ihre Quoten 2016 nochmals erhöhen können.
Doch die Verbesserung kommt nicht allein aus dem Zähler, sondern aus einem Rückgang des Nenners, wie die Aufsicht erläutert. Danach wuchs zwar das Eigenkapital der VVaGs 2016 zwar um 7,6 Prozent auf 3,83 Mrd. Euro, zugleich buchten sie mit sieben Mrd. Euro aber auch 7,3 Prozent weniger Bruttobeiträge.
Die rückläufige Eigenkapitalquote der AGs ergibt sich nach Zahlen der Aufsicht aus einem um durchschnittlich 1,7 Prozent auf 2,96 Mrd. Euro gesunkenen Eigenkapital plus Wachstum. Denn die AGs wuchsen bei den Bruttobeiträgen um 2,4 Prozent auf 66,7 Mrd. Euro. Das wäre natürlich eine ganz andere Entwicklung als die, auf die die Vereine und hier speziell die Gothaer gerne verweisen – nämlich ihre wachsende Marktbedeutung.

Danach ist der Marktanteil der Vereine über alle Sparten zwischen 2007 und 2016 um 2,9 Prozent auf 36,1 Prozent gewachsen. Der Marktanteil der AGs schrumpfte um 3,4 Prozentpunkte auf 51,9 Prozent, wovon auch die öffentlichen Versicherer etwas profitiert haben. Am stärksten legten die Vereine in diesen fünf Jahren im Bereich Schaden/Unfall mit einem Zugewinn von 4,9 Prozent auf 36,5 Prozent zu.