Ellen Bocquel, Bocquel-News, vom 23. November 2015
Echte Spartipps vom Mathematiker: Autofahrer sollten in der Wechselsaison nicht so viel auf Rabattaktionen der Kfz-Versicherer geben, sondern vielmehr die permanenten Tarifmerkmale der einzelnen Anbieter genauer unter die Lupe nehmen. Vorsichtiges Fahren wird immer belohnt.
Rabattaktionen, mit denen Kfz-Versicherer in der Wechselsaison werben, bringen oft nur kleine Spareffekte. Wirksamer ist ein kluger Umgang mit den sogenannten Tarifmerkmalen. „Wer bei der Kfz-Versicherung sparen will, ohne Leistung einzubüßen, sollte die Schadenfreiheitsklasse, das Nutzeralter oder Typklasse beachten“, rät der Versicherungsmathematiker Onnen Siems von der Beratungsgesellschaft MSK Meyerthole Siems Kohlruss. Das Unternehmen MSK, bereits 1998 in Köln als erste deutsche aktuarielle Beratungsgesellschaft gegründet, begleitet Versicherungsunternehmen bei strategischen Entscheidungen und operativen Prozessen. Einer von fünf größeren Tätigkeitsschwerpunkten liegt in der Beratung und Berechnung der Tarifierung.
Onnen Siems von der MSK-Geschäftsführung beurteilt aktuell die vermeintlichen Wechselsaison-Schnäppchen aus Sicht des Mathematikers. Was die Schadenfreiheitsklassen in der Kfz-Versicherung betrifft, rät Siems, dass vor allem Fahranfänger dringend auf die Ersteinstufung der Schadenfreiheitsklasse achten sollten.“
Vorsichtiges Fahren wird mit günstiger Schadenfreiheitsklasse belohnt
Der Fachmann gibt zu bedenken, dass einige Versicherer Anfänger in die sehr teure Stufe 0 stecken - andere in die deutlich günstigeren Stufen ½ oder 1. Die Schadenfreiheitsklasse „belohnt“ laut Siems vorsichtiges Fahren. Mit jedem unfallfrei gefahrenem Jahr steigt die Stufe – und die Versicherungsprämie sinkt. „Zwischen Stufe 0 und 1 können mehrere hundert Euro Unterschied in der Jahresprämie liegen“, sagt Siems.
"Rette dir Omas Freiheitsstufe", lautet ein anderer Spartipp der Beratungsgesellschaft MSK. Die Prämie kann demnach deutlich sinken, wenn Schadenfreiheitsrabatte übertragen werden - von der Oma auf den Enkel oder Ehemann auf Ehefrau, wenn diese beispielsweise Witwe wird.
Das Nutzeralter spielt bedingt eine Rolle
Ganz nach dem Motto „Mitfahren lassen“ können Eltern den Wagen ihres Kindes auf sich anmelden und ihr Kind dann mitfahren lassen. Fahranfänger können damit bei einigen Versicherern sogar auf Schadenfreiheitsstufe 2 gelangen, zudem wirkt sich das Alter der Eltern deutlich günstiger auf den Schadenfreiheitsrabatt aus als das des nicht einmal 25-jährigen Fahranfängers. „Die Höhe der Zuschläge für junge Fahrer variieren deutlich zwischen den Anbietern“, macht Onnen Siems deutlich. Ein Vergleich zahlt sich demnach bei jungen Fahranfängern besonders aus.
Typklasse - Wahl des Automodells
„Deutliches Sparpotenzial haben ähnliche Neuwagen in billigerer Typklasse“, sagt Siems. Beispielsweise könnte eine Mercedes GLE-Klasse (vormals M-Klasse) mit einer Vollkasko-Typklasse 27 deutlich billiger sein als ein vergleichbares Fahrzeug der Marke Range Rover mit der Typklasse 34. Ein weiterer Tipp aus dem Hause MSK bezieht sich auf Oldtimer. Da es bei der Kraftfahrt-Haftpflicht (KH) um Schäden geht, die man anderen zufügt, sollte eine naheliegende Erklärung das Liebhabertum sein. „Wer einen nostalgischen Wagen besitzt, fährt besonders umsichtig und nutzt vor allem das Fahrzeug meist nicht im Alltag und nur bei schönem Wetter“, so die gängige Meinung.
Wie Auto-Versicherer die Tarifmerkmale gewichten
Zum Hintergrund, wie die Auto-Versicherer Tarifmerkmale gewichten, erklärt Onnen Siems, dass in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung die Schadenfreiheitsklasse den größten Einfluss auf die Prämie hat.
Das zeigt ein Beispiel: Während man in der günstigsten Klasse, der SF 35, mit einem Abschlag von der Durchschnittsprämie in Höhe von etwa 42 Prozent rechnen kann, müssen Autofahrer, die der sogenannten Malusklasse zugeordnet sind, eine Vervierfachung der Prämie gegenüber dem Durchschnitt befürchten. Dieser Klasse wird man zugeordnet, wenn man bereits einer sehr niedrigen SF-Klasse wie der SF 0 zugeordnet ist und dann aufgrund eines Unfalls zurückgestuft wird.
Der zweitgrößte Faktor ist den Angaben zufolge das Alter des Autofahrers, denn Nutzer über 82 Jahren müssen in der Regel mehr als das Doppelte der Durchschnittsprämie zahlen. Unter die Top 3 der wichtigsten Tarifmerkmale der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung schafft es schließlich noch die Typklasse.
Wichtigste Tarifmerkmale der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung
Vollkaskoversicherung: Die einflussreichsten Merkmale auf die Prämie
In der Vollkaskoversicherung stellt die Typklasse laut Onnen Siems sogar das einflussreichste Merkmal auf die Prämie dar. Dies sei darin begründet, dass bei der Kaskoversicherung das eigene Fahrzeug abgesichert wird und sich ein hoher Fahrzeugwert in der Regel in einer hohen Typklasse widerspiegelt. Die höchste Typklasse 34, der beispielsweise die Mercedes S-Klasse AMG oder der Range Rover zugeordnet sind, kann den Angaben zufolge häufig zu einer elfmal höheren Prämie als der Durchschnitt führen. Die Schadenfreiheitsklasse liegt in Vollkasko als einflussreiches Merkmal auf Platz 2; und die Jahresfahrleistung komplettiert die drei wichtigsten Merkmale der Kaskoversicherung.
Welche Tarifmerkmale in Vollkasko am wichtigsten sind
Wie wirkt sich die Regionalklassen-Einteilung auf die Prämie aus?
Versicherungsmathematiker Onnen Siems weist schließlich darauf hin, dass für die Prämie in beiden Kraftfahrt-Sparten noch die Regionalklasse von relativ großer Bedeutung ist, während das Fahrzeugalter bei Erwerb, der Nutzerkreis ohne den Sonderfall eines jungen Nutzers unter 25 Jahren, das Wohneigentum sowie die Tarifgruppe zwar von den meisten Versicherern verwendet werden, aber dennoch deutlich weniger ins Gewicht fallen. Der MSK-Geschäftsführer ergänzt: „In der Vollkaskoversicherung existiert im Unterschied zur Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung noch die Option der Prämienersparnis durch die Vereinbarung eines Selbstbehalts.“