Am Puls. Das ACTINEO Magazin, vom 1. März 2017
Sie finden in der Klimaforschung und in der Preisgestaltung von Handelsunternehmen ebenso Anwendung wie bei der Vorhersage von Straftaten oder Stromlasten: Prognosemodelle auf der Basis umfangreicher Datenanalysen, auch Predictive Modelling genannt. ACTINEO übernimmt im Personenschaden eine Vorreiterrolle und macht dieses Verfahren zum wichtigen Baustein künftiger Leistungen. Dabei arbeiten die Personenschaden-Spezialisten mit den Aktuaren Meyerthole Siems Kohlruss zusammen.
Das Prinzip des Predictive Modelling ist in der Versicherungsbranche nicht neu. Die Entwicklung von Prognosemodellen auf der Basis strukturierter Daten wird im Pricing, also bei der Tarifierung, von den Versicherern schon immer als Kernkompetenz betrieben. Die Digitalisierung mit ihrer Möglichkeit, große Datenmengen zu erfassen und zu analysieren, treibt die Entwicklung jedoch stetig voran. Mehr und mehr bedient sich daher auch der Schaden mathematisch-statistischer Methoden, um bestehende Datenbestände nicht nur für die Beschreibung von Ist-Zuständen, sondern auch für die Vorhersage von Entwicklungen zu nutzen. Im Personenschaden lassen sich durch Predictive Modelling ebenfalls wichtige Erkenntnisse gewinnen.
Wohl alle Versicherer sehen die potenziellen Chancen des Predictive Modelling. Häufig steht jedoch die spärliche Datenlage der Umsetzung im Weg. Für diese Versicherer erzeugen Dienstleister wie ACTINEO die nötigen Datenstrukturen und Systemvoraussetzungen, um die Chancen von Big Data überhaupt nutzen zu können. Schon jetzt bietet ACTINEO seinen Kunden die strukturierte Erfassung und medizinische Codierung sowie die anonymisierte und datenschutzkonforme Auswertung ihrer Personenschadendaten an. Im Ergebnis lassen sich der Ablauf und Aufwand bei der Regulierung besser steuern, die Risikoprüfung und Reserveführung auf eine valide Grundlage stellen und weitergehende Aussagen über künftige Schadenfälle treffen – bei kleinen Personenschäden ebenso wie im Großschadenbereich.
Pilot: Schmerzensgeldhöhe
Um den Bereich Predictive Modelling als Serviceleistung auszubauen und zur Optimierung eigener Prozesse zu nutzen, arbeitet ACTINEO mit dem aktuariellen Beratungsunternehmen Meyerthole Siems Kohlruss in Köln zusammen (s. auch IM GESPRÄCH auf Seite 5). Die renommierten Versicherungsmathematiker aus Köln haben zunächst ein Modell zur Vorhersage der Schmerzensgeldzahlung erstellt. Grundlage sind von Kunden zweckgebunden freigegebene und von ACTINEO gelieferte ICD-10-codierte Personenschadendaten aus historischen Fällen. Ein Probelauf in diesem Bereich liegt aus zweierlei Gründen nahe: Die erforderliche Datenlage für einen statistischen Ansatz ist vorhanden und die Relevanz der Schmerzensgeldeinschätzung für eine schnelle und faire Regulierung ist gerade im Mengenschaden groß.
Neben der Kennzahl des tatsächlich gezahlten Schmerzensgelds liefert ACTINEO zahlreiche weitere Datenfelder pro Personenschadenfall an Meyerthole Siems Kohlruss, die als möglicherweise relevante Kriterien in das Modell zur Ermittlung der angemessenen Höhe des Schmerzensgelds mit einfließen.
Vorteile der Prozessautomatisierung
Nach der Datenpflege entwickelt Meyerthole Siems Kohlruss auf Basis der Ergebnisse multivariater Analysen einen Algorithmus für das Schmerzensgeldmodell, der im nächsten Schritt bei ACTINEO systemtechnisch in die jeweiligen Kundenprozesse implementiert werden kann. Auf dieser Basis bekommt der Schadensachbearbeiter der Versicherung einzelfallbezogen ein angemessenes Schmerzensgeld ausgewiesen und erhält so neben den bestehenden unternehmensbezogenen Vorgaben eine weitere wertvolle Unterstützung bei der Schadenregulierung, die den durchschnittlichen Marktwert der Konsensentscheidungen abbildet. Auch die interne Workflowsteuerung bei ACTINEO profitiert von der durch Predictive Modelling entstehenden Datenveredelung.
Die Personenschaden-Spezialisten können zum Beispiel aus modellierten Daten direkt die sogenannte fiktive Arbeitsunfähigkeit von Nichterwerbstätigen ableiten. Dies macht die bisher notwendige medizinische Einschätzung in vielen Fällen überflüssig – analog zur Ermittlung der Schmerzensgeldhöhe, bei der perspektivisch ein Großteil der juristischen Prüfungen durch standardisierte Prozesse wegfallen könnte.
Künftige Entwicklungen
Im Ausblick sind die Methoden und der Nutzen des Predictive Modelling theoretisch für alle Regulierungspositionen im Personenschaden denkbar: vom Schmerzensgeld über Heilbehandlungskosten bis hin zu Haushaltsführungsschäden, Erwerbsschäden etc. Letztlich hat auch der Geschädigte von einer durch Modelle standardisierten Regulierung deutliche Vorteile: Er kann sicher sein, dass der Versicherer mit einem einheitlichen, marktgerechten Maßstab rechnet und er eine faire Behandlung erfährt. Predictive Modelling transformiert also Arbeitsvorgänge in der Schadenregulierung wie die Schmerzensgeldeinschätzung von einem erfahrungsbasierten zu einem evidenzbasierten und automatisierten Prozess. Dies ist zukunftsweisend: Experten sind sich einig, dass die Digitalisierung der Prozesse auch in der Versicherungswirtschaft unaufhaltsam voranschreitet. In absehbarer Zeit wird die sogenannte Dunkelverarbeitung, bei der Vorgänge nach Eingabe der Daten komplett automatisiert – bildlich gesprochen „im Dunkeln“ – ablaufen, zunehmend Einzug halten, im Personenschaden vor allem bei den kleinen Mengenschäden. Im Falle des Schmerzensgeldes würden die durch ACTINEO gelieferten relevanten Schadendaten den Prozess bis zur automatischen Zahlungsvorbelegung anstoßen.