Interview von Kathrin Melzer, Am Puls. Das ACTINEO Magazin, vom 1. März 2017
ACTINEO nutzt künftig Verfahren des Predictive Modelling zur Optimierung von Serviceleistungen und internen Prozessen. Dazu kooperieren die Personenschaden-Spezialisten mit dem aktuariellen Beratungsunternehmen Meyerthole Siems Kohlruss. Im Gespräch verrät Geschäftsführer Onnen Siems, wo datenbasierte Vorhersagemodelle eingesetzt werden können – und ob sie auch bei Fußballwetten erfolgreich sind.
Herr Siems, was macht ein Aktuar?
Onnen Siems: Aktuare sind Versicherungsmathematiker und ursprünglich in der Lebensversicherung zu Hause. In der Schaden und Unfallversicherung ist das aktuarielle, statistische Denken noch relativ neu. Meyerthole Siems Kohlruss als aktuarielles Beratungsunternehmen ist wiederum ein Kind der Deregulierung des Versicherungsmarktes Mitte der 1990er Jahre. Wir sind für Erst- und Rückversicherer sowie für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, aber auch für Captives und Corporates tätig.
Sie erstellen für Ihre Kunden unter anderem Prognosemodelle auf der Basis umfangreicher Datenanalysen, etwa für die Schadenvorhersage bei Unwettern. Wo betreibt die Versicherungsbranche noch Predictive Modelling?
Onnen Siems: Das Thema ist im Versicherungsbetrieb ja traditionell fest verankert: Jede Prämienfindung beruht auf Vorhersagemodellen. Neu sind neben der Ausweitung mathematisch-statistischer Methoden auf den Schadenbereich die großen Datenmengen sowie der Trend zur Digitalisierung und Automatisierung mit aktuariellem Know-how. Predictive Modelling liefert den Grundstein dafür, dass Risiken automatisch verzeichnet werden – unabhängig von der Erfahrung und Expertise des einzelnen Versicherungsmitarbeiters.
Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es im Personenschaden?
Onnen Siems: Unsere Zusammenarbeit mit ACTINEO beim Predictive Modelling setzt bei der Schmerzensgeldhöhe an und soll mit wachsender Datengrundlage sukzessive erweitert werden. Grundsätzlich sind datengetriebene Vorhersagemodelle für alle Schadenkomponenten denkbar – von den Behandlungs- bis zu den Rechtsanwaltskosten. Große Relevanz, auch in Bezug auf die Kosteneinsparung, sehe ich bei teuren Komponenten wie den Rehakosten, beim Verdienstausfall und bei Krankenhauskosten, die sich inflationär entwickelt haben.
Welchen Rat geben Sie Ihren Kunden in Bezug auf die Möglichkeiten von Big Data?
Onnen Siems: Data first! Daten sollten angeschaut, nicht nur abgespeichert werden. Für eine valide Prognose muss man sich, so sagen wir immer, die Finger schmutzig machen und saubere Daten schaffen. Allein die Datenaufbereitung nimmt 50 Prozent der Arbeit bei Meyerthole Siems Kohlruss in Anspruch – unter Beachtung aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen natürlich.
In die Zukunft geschaut: Welche Entwicklungen sind im Predictive Modelling in den nächsten fünf Jahren zu erwarten?
Onnen Siems: Die sogenannte Dunkelverarbeitung, also vollständig automatisiert ablaufende Vorgänge, wird künftig ganz oben auf der Agenda stehen. Das Projekt von ACTINEO und Meyerthole Siems Kohlruss ist ein Mosaiksteinchen in der allumgreifenden Prozessautomatisierung in der Schadenbearbeitung. Für die Versicherer wird es darum gehen, Kostenvorteile zu gewinnen, die die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Die Versicherungsnehmer wiederum können sich über günstigere Preise freuen.
Eine ganz andere Frage: Wie tippt ein Aktuar bei einer Fußballmeisterschaft?
Onnen Siems: Auch im Fußball kann man natürlich aussagekräftige Daten sammeln, matchen und Predictive Models erstellen; einige Nerds bei uns im Büro machen das sogar. Ich persönlich tippe lieber aus dem Bauch heraus, liege in der Ergebnistabelle aber immer ganz unten.