Tobias Daniel, VW-heute, vom 2. November 2017
Erst “Xavier”, nun “Herwart”: Binnen weniger Wochen ist am vergangenen Wochenende das zweite Sturmtief über Europa hinweg gezogen. Die Bilanz: Mehrere Tote, ein neuerliches Bahnchaos in Deutschland und Schäden in Millionenhöhe. Nach den Berechnungen des der aktuariellen Beratungsfirma Meyerthole Siems Kohlruss “bringt Sturm ‘Hewart’ einen versicherten Sachschaden in Höhe von 250 Mio. Euro für die deutschen Versicherer”.
Demnach sei “Hewart” der vierte Sturm in diesem Jahr, der als sogenannter “Schnellläufer” Schäden in dreistelliger Millionenhöhe für die deutschen Versicherer verursacht, konstatieren die Aktuare. Zudem sei er mit “Egon” im Januar, “Thomas” im Februar und “Xavier” Anfang Oktober der teuerste der diesjährigen “Sprintstaffel” aus Schnellläufern.
“Zusammen mit dem Sommerereignis ‘Paul’ vom Juni liegt die Schadenbelastung der Versicherungswirtschaft in Deutschland schon bei über eine Mrd. Euro in diesem Jahr, und die Wintersturmsaison hat gerade erst begonnen”, kommentiert Onnen Siems, Geschäftsführer von Meyerthole Siems Kohlruss. “Mit einer Entlastung durch Rückversicherung ist nicht zu rechnen, da die einzelnen Ereignisse meist unter der Priorität der Kat-Deckungen liegen werden”, ergänzt der Versicherungsmathematiker.
Die Versicherer selbst halten sich mit Schadenschätzungen noch zurück. Die Wiener Städtische rechnet mit einem zweistelligen Millionenschaden.
Erneutes Bahnchaos in Nord- und Ostdeutschland
Medienberichten zufolge sind allein in Deutschland mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. In Mecklenburg-Vorpommern kenterte ein Motorboot mit drei Urlaubern aus Sachsen. Dabei kam eine 48-jährige Frau ums Leben, ein weiterer Passagier wird derzeit noch vermisst. In Niedersachsen wurde ein 63-jähriger Camper von der Sturmflut überrascht und ertrank.
Vor der ostfriesischen Insel Langeoog ist zudem ein 225 Meter lange Frachter “Glory Amsterdam” auf Grund gelaufen. Das Schiff lag zuvor vor Helgoland auf Reede und hatte sich durch den Sturm in der Deutschen Bucht schließlich losgerissen. Die Bergung des Schiffs dauert derzeit noch an.
Wie bereits Anfang Oktober war auch der Bahnverkehr in Deutschland wieder besonders stark vom zweiten Sturmtief dieses Herbstes betroffen. Besonders im Norden und Osten Deutschlands wurde der Zugverkehr durch “Herwart” praktisch lahmgelegt. Allein in sieben Bundesländern musste der Fernverkehr eingestellt. Erst im Laufe des Montag konnten die betroffenen Strecken allmählich wieder freigegeben werden.
Die Versicherer selbst halten sich auf Anfrage von VWheute mit konkreten Schadenschätzungen bislang noch zurück. Während die Allianz und die VHV noch keine Einschätzung abgeben, sind seitens der Provinzial “vor allem die Geschäftsgebiete in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern betroffen. Der Bereich Westfalen ist weitestgehend verschont geblieben”, so der Konzern. “Wir können aktuell noch keine Schätzung zur Schadenhöhe geben, gehen aber nach derzeitigem Erkenntnisstand von einer Vielzahl vor allem klassischer Sturmschäden aus”, betonte eine Sprecherin.
VIG rechnet mit zweistelligem Millionenschaden
Auch in den Nachbarländern sorgte “Herwart” neuerlich für massive Schäden. Allein in Polen und Tschechien waren mindestens drei Todesopfer zu beklagen. In Österreich fegte “Herwart” mit Windgeschwindigkeiten bis zu 180 Stundenkilometern durchs Land.
So waren in Nieder- und Oberösterreich am Sonntagvormittag Tausende Haushalte ohne Strom. In der Hauptstadt Wien mussten neben Parks und Friedhöfen auch der Hauptbahnhof zeitweilig gesperrt werden. Ernsthaft verletzt wurde in Österreich jedoch niemand.
Immerhin rechnet die Wiener Städtische bereits mit einem Schaden von zehn Mio. Euro. “Wir rechnen mit sehr vielen Schadensfällen vor allem im privaten Bereich und aus heutiger Sicht mit einem Aufwand von ca. zehn Mio. Euro. Sachverständige und Sachbearbeiter sind im Dauereinsatz”, betonte Vorstandsdirektorin Doris Wendler.
Insgesamt haben Stürme, Hagel und Hochwasser in diesem Jahr bei der Wiener Städtischen Versicherung Schäden in der Höhe von rund 80 Mio. Euro verursacht, heißt es beim österreichischen Versicherer weiter. Dies seien bereits jetzt um 30 Mio. Euro mehr als im gesamten Vorjahr.