Deutsche Welle, vom 19. Januar 2018

Der Orkan "Friederike" kostet die deutschen Versicherer mindestens eine halbe Milliarde Euro. Dies teilte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft nach ersten Schätzungen der Schäden mit.

Der Sturm ist vorbei, doch die Bilanz ist bitter: Mindestens acht Menschen kamen in Deutschland durch den Orkan "Friederike" ums Leben, mehr als 40 wurden verletzt. Zudem hinterlässt das Sturmtief große Zerstörungen, deren Kosten sich nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf rund 500 Millionen Euro belaufen dürften. Die Versicherungsmathematiker der Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss schätzen die versicherten Schäden auf 800 Millionen Euro und sprachen von einem "schlanken Kyrill".

Diese Summen liegen aber deutlich unter dem Wintersturm "Kyrill", der 2007 mehr als zwei Milliarden Euro Schaden angerichtet hatte. Die Stürme "Lothar" von 1999 und "Jeanett" von 2002 hatten 800 Millionen beziehungsweise 760 Millionen Euro Schäden verursacht. Auch die Deutsche Bahn sprach am Freitag von Millionenschäden am Schienennetz und mehr als 200 beschädigten Streckenabschnitten.

Der Wintersturm "Friederike" war am Donnerstag vor allem über den Westen, Norden und die Mitte Deutschlands gefegt. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes erreichte "Friederike" Spitzengeschwindigkeiten von knapp 138 Stundenkilometern im thüringischen Gera und sogar 203 Stundenkilometern auf dem Brocken. Damit war "Friederike" einer der stärksten Stürme hierzulande im vergangenen Jahrzehnt.

Innenminister sagt Danke

Bundesinnenminister Thomas de Maizière bedankte sich via Twitter bei den Rettungskräften und sprach den Angehörigen der Todesopfer sein Mitgefühl aus. "Ich danke vor allem den mehr als 1000 ehrenamtlichen THWlern sowie allen anderen Einsatzkräften, die sich in den Dienst der Gesellschaft gestellt haben." Der Sturm habe gezeigt, wie wichtig das Technische Hilfswerk (THW) für das Zusammenleben sei.

Nach der vorübergehenden Einstellung des Fernverkehrs am Donnerstag nahm die Deutsche Bahn am Freitag den Betrieb wieder auf. Alle Metropolen sind wieder erreichbar. Auch im Regionalverkehr wurde der Betrieb nach und nach wieder aufgenommen. Die Fahrgäste mussten sich aber weiterhin auf "erhebliche Einschränkungen" einstellen, vor allem in den besonders vom Sturm betroffenen Landesteilen wie Nordrhein-Westfalen. Für das Wochenende rechnete die Bahn mit einer weitgehenden Normalisierung.

Gewerkschaft rügt Krisenmanagement

Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, kritisierte das Krisenmanagement der Bahn: "Bundesweit den Eisenbahnverkehr ruhen zu lassen, wo nur an bestimmten Stellen extreme Wetterbedingungen herrschen, ist zu weit gesprungen", sagte er dem Mitteldeutschen Rundfunk. Eigentlich sei die Bahn dafür bekannt, dass sie auch bei schwierigen Witterungsverhältnissen noch fahre. Das Unternehmen trage durch Versäumnisse eine Mitschuld: "Das sind Sparmaßnahmen der Vergangenheit, die sich jetzt rächen. Normalerweise sind Bäume so zu beschneiden, dass sie nicht in Gleise geschweige denn Oberleitungen fallen können", sagte Weselsky. Die Bahn widersprach: "Die Entscheidung, die Sicherheit unserer Fahrgäste über alles zu stellen, war richtig", sagte Bahn-Personalvorstand Berthold Huber. In weiten Teilen des Landes seien auch Flug- und Autoverkehr nicht möglich gewesen.

Im Osten Deutschlands waren zuletzt noch tausende Haushalte ohne Strom. Wie der Netzbetreiber Mitnetz Strom mitteilte, betraf dies noch rund 14.000 Kunden in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Teilweise konnten die Mitarbeiter die Leitungen und Anlagen noch nicht erreichen, weil Straßen und Waldgebiete weiterhin blockiert oder gesperrt waren.

Weitere Glätteunfälle

Nach dem Abzug des Sturms machten vor allem dem Norden und Osten noch Schnee und Glatteis zu schaffen, es gab zahlreiche Unfälle. So geriet im Landkreis Gotha in Thüringen am Morgen ein mit sieben Schulkindern besetzter Transporter auf winterlicher Straße auf die Gegenfahrbahn und stieß dort mit einem Auto zusammen. Die Kinder sowie die Fahrer beider Wagen wurden verletzt.

Für die Häufung von schweren Stürmen in Deutschland seit September macht der Wetterdienst eine seit dem Herbst vorherrschende Westwetterlage verantwortlich. Dabei ziehen Tiefdruckgebiete in rascher Abfolge vom Nordatlantik meist von Island kommend über die Nordsee nach Südskandinavien und beeinflussen mit ihren Ausläufern Mitteleuropa. An ihrer Südflanke bilden sich bei großen Temperaturgegensätzen immer wieder Randtiefs, die sich dann zu Sturmtiefs entwickeln können.