Ellen Bocquel, Bocquel-News, vom 29. Januar 2021
Die Betriebsschließungs-Versicherung (BSV) sorgt in der Assekuranz für große Unruhe. Nicht alle Unternehmen, die eine BSV abgeschlossen haben, bekommen von ihrem Versicherer auch Leistungen für Geschäftsausfälle wegen der Pandemie-Krise. Die Aktuare von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK).
Nach wie vor beschäftigen Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Corona bedingten Betriebsschließungen die Justiz – vor allem im Zusammenhang mit Leistungen in Sachen BSV währen der Pandemie. Lässt sich das Pandemie-Risiko in der BSV überhaupt versichern? Mit dieser Frage haben sich auch die Aktuare von MSK Meyerthole Siems Kohlruss (www.aktuare.de) beschäftigt.
Zunächst einmal fristete die Betriebsschließungs-Versicherung (BSV) ein Dasein als Nischenprodukt, das bislang nur wenige kannten. Mit der Corona-Pandemie und dem corona bedingten Lockdown rückte die BSV in den Mittelpunkt und kratzt sogar am Image der Branche. Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e. V. erst kürzlich betonte, hätten die Versicherer für tatsächlich versicherte Fälle viel geleistet. Die BSV sei aber nie für eine globale Pandemie oder einen Lockdown konzipiert worden. Pandemien würden das Versicherungsprinzip aushebeln und seien daher rein privatwirtschaftlich nicht zu versichern.
Die Versicherbarkeit der Pandemie steht auf dem Prüfstand
Ob und inwieweit das Pandemierisiko abgedeckt werden könne, veranlasste die Aktuare der Meyerthole Siems Kohlruss Gesellschaft für aktuarielle Beratung mbH (MSK), sich mit den Knackpunkten der BSV auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse präsentierte der MSK-Geschäftsführer Dr. Andreas Meyerthole im Rahmen eines Pressefrühstücks.
„Es macht Sinn, nach Versicherungslösungen zu suchen“, betonte Andreas Meyerthole. Zunächst verwies der MSK-Geschäftsführer auf die „Schwere“ des Kumuls bei Pandemien an Beispielen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe. Geht man von einem jährlichen Umsatz von 90 Milliarden Euro aus, würde beispielsweise bei einer Betriebsschließung der Restaurant für einen Monat - unter der Voraussetzung, dass alle Unternehmen auch ihren vollen Umsatzausfall versichert haben - ein einmonatiger Totalausfall bereits zu einem Schadenbedarf von 7,5 Milliarden Euro führen. Wie hoch müsste hier Prämienvolumen berechnet werden? Geht man weiter davon aus, dass ein solches Schadenereignis „nur“ alle 100 Jahre eintritt, käme man auf eine Risikoprämie von 75 Millionen Euro, also 2,5 Promille des Jahresumsatzes.
Problem der „Schwere“ des Kumuls bei einer Pandemie
Die hohe Groß- beziehungsweise Kumul-Schadenneigung einer Pandemie zeigt in etwa auch der Vergleich mit einem Sturm: So hätten die Versicherer in einem Kyrill-Jahr nach heutigen Wertmaßstäben bei Prämieneinnahmen von 2,5 Milliarden Euro Schäden in Höhe von 3 Milliarden Euro eingefahren, also etwas mehr als das Prämienvolumen eines Jahres (siehe auch bocquel-news 15. Januar 2021 „Kyrill“ war und bleibt seit der teuerste Wintersturm). Bei einer Pandemie und dem eingangs angenommenen Prämienvolumen von 75 Millionen Euro würden sich die Schäden der Versicherer auf 7,5 Milliarden Euro belaufen, also das Hundertfache der Prämieneinnahmen.
Die Versicherer müssten laut MSK das Risiko bei einem solchen Szenario diversifizieren, also durch andere Sparten ausgleichen. Doch die MSK-Aktuare sehen einen Problem bei dieser Technik der Risikominderung im Hinblick auf die Betriebsschließungs-Versicherung: Zum einen verzeichnen nicht alle Versicherer BSV-Geschäft, zum anderen können Gesellschaften Schäden aus der BSV nicht ausgleichen, da sie entsprechende Sparten, die gut durch die Krise gekommen sind, wie etwa Kfz, nicht bedienen.
BSV als Pflichtversicherung - keine gute Lösung
Während die Aktuare in einer Pflichtversicherung nicht die beste Lösung sehen, ebenso wenig wie in der Gründung eines Spezialversicherers, könnte ihrer Meinung nach eine Limitierung der Kumul-Haftung beispielsweise auf 20 Prozent ein möglicher Ansatz sein. Ein solches Konstrukt sei nicht unüblich, wenn man an den Pleiten-Fall Thomas Cook. Denkt. Hier war die Haftung ebenfalls beschränkt, was aber vielen nicht bekannt war. Entscheidend sei deshalb, solche Limitierungen dem Kunden gegenüber im Vorfeld transparent zu kommunizieren. Der im Extremfall nicht gedeckte Betrag könnte durch Pools, den Staat oder Fonds ergänzt werden. Auch das Limit könnte jährlich neu festgelegt werden.
Nur „eingeschränkt“ versicherbar
Das Pandemie-Risiko in Sachen BSV ist „eingeschränkt versicherbar“, sagte Dr. Meyerhtole. „Eine kleine Lösung ist immer noch besser als keine Lösung.“ Darüber hinaus brauche es aber Bilanzierungshilfen. Klar sein dürfte aber auch, dass die Risiko-Tragfähigkeit der Versicherer ohne drastische Beitragsanpassungen nicht ausreichen könne.