Bocquel-News, vom 29. Juni 2021
Das Klima spielt verrückt. Schon in der vergangenen Woche und besonders am Wochenende- aber auch heute - sorgten Starkregen, stärkste Windböen und schwere Hagelwetter für überflutete Straßen, übergelaufene Gullydeckel und zerbeulte Autos. Die versicherten Schäden in ganz Europa werden auf mehr als 1 Milliarde Euro geschätzt.
Die Unwetter der letzten Tage haben versicherte Schäden von mehr als 1 Milliarden Euro in Europa verursacht. „Allein die landwirtschaftlichen Versicherer in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden insgesamt mehr als 100 Million Euro auszahlen. Der Sachschaden in der Schweiz wird ebenfalls mehr als 100 Millionen Euro betragen“, sagt Onnen Siems, Geschäftsführer der aktuariellen Beratungsgesellschaft MSK Meyerthole Siems Kohlruss (www.aktuare.de) aus Köln.
Die bisher teuersten Hagelereignisse in Österreich waren die Unwetter „Tatjana“ im Mai 2000 und „Wolfgang“ im Juli 2009, die jeweils mehr als 500 Millionen Euro Schaden in heutigen Werten gekostet haben. „Die jetzigen Schäden dürften in dieser Größenordnung liegen“, sagt Onnen Siems.
„In Deutschland werden die Schäden das bisher teuerste Ereignis, den Münchner Hagel von 1984, nicht erreichen, da keine der großen Städte voll getroffen wurde“, betont Siems. Einige Hagelzüge zogen südlich von München und Stuttgart vorbei. Es hätte auch anders kommen können: „Ein 500-Millionen-Euro-Ereignis für diesen Markt kommt im Durchschnitt alle vier bis fünf Jahre vor“, erläutert der Versicherungsmathematiker Siems.
Über Baden-Württemberg sind am Montagabend erneut schwere Unwetter gezogen. In vielen Teilen des Landes laufen noch immer die Aufräumarbeiten. Besonders der Kreis Calw ist den Angaben zufolge betroffen. Ein Sprecher der Polizei Pforzheim bestätigte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur überflutete Straßen, übergelaufene Gullydeckel und Erdrutsche in der Gemeinde Altensteig. Am Fluss Nagold wurde eine Mauer über einige Meter weggerissen. Bäume seien entwurzelt worden und flogen auf Straßen und Gleise, Keller seien vollgelaufen. Die Feuerwehr und das THW sind unermüdlich im Einsatz.
Ungewöhnlich war der lange Zeitraum mit enormem Unwetterpotenzial, sagt Onnen Siems. Seit dem 19. Juni 2021 reihten sich Hagelzug und Starkregen aneinander. Die Meteorologen kamen mit der Namensgebung kaum hinterher. „Thananont“, „Ulfert“, „Volker (I bis III) und Wolfgang sind die Namen der Tiefdruckgebiete, die von der stabilen „Zoe“ über Russland an einem schnellen Abzug gehindert wurden. „Auf Grund der Wetterwirksamkeit schon kleinster Tiefdruckgebiete und Konvergenzlinien ist eine systematische Zusammenfassung der Schäden schwer möglich, zumal in Rückversicherungs-Verträgen unterschiedliche Stundenklauseln für Sturm-/Hagelereignisse und Elementar/Starkregen möglich sind“, erklärt Siems weiter.
Trauriger Höhepunkt (und vermutlicher Abschluss) der Unwetterlage war der verheerende Tornado in Tschechien am 24. Juni, der mehrere Ortschaften nahezu komplett zerstörte und nach jetzigem Wissensstand mindestens fünf Tote und fast 200 Verletzte forderte.
Übrigens rechnet auch die Allianz (www.allianz.de) nach den Hagelgewittern der vergangenen Woche mit rund 25.000 beschädigten Autos in Süddeutschland. Der Versicherer geht nach Schadenmeldungen der Kunden davon aus, dass in Bayern 15.000 und in Baden-Württemberg 10.000 Fahrzeuge von Hagel verbeult oder anderweitig beschädigt wurden. In Bayern will das Unternehmen an sechs Stellen Sammelbesichtigungen anbieten, in Baden-Württemberg an drei, wie die Allianz mitteilte.
Nicht nur Meteorologen und Klimaforscher, sondern auch Versicherer registrieren, dass Extremwetterereignisse wie überdurchschnittlich starke Hagelunwetter in Deutschland häufiger werden. „Dadurch steigen sowohl Schadenhäufigkeit als auch der Schadenaufwand bei Hagelschäden an Fahrzeugen", sagte Melanie Kreutner, Sicherheitsforscherin am Allianz Zentrum für Technik.
Die Gesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) wurde 1998 in Köln als erste deutsche aktuarielle Beratungsgesellschaft gegründet und begleitet Schaden- und Unfallversicherer bei strategischen Entscheidungen und operativen Prozessen. Die Tätigkeitsschwerpunkte liegen in Datenpools, Tarifierung, Telematik, Cyber, Bilanzbewertungen, Rückversicherung und Solvency II. Seit 2011 ist das Managementsystem zur Informationssicherheit von MSK nach ISO 27001 zertifiziert.