VersicherungsJournal.de, 14. Juni 2013, von Stefanie Steible

Zu den Auswirkungen der aktuellen Hochwasserlage hat der Branchenverband GDV in dieser Woche erste Schätzungen abgegeben. Demnach sei mit höheren Kosten als beim Jahrhunderthochwasser 2002 zu rechnen. Die Schadenzahlungen lagen damals in Deutschland bei 1,8 Milliarden Euro (VersicherungsJournal 14.11.2002). Umgerechnet auf das Jahr 2013 wären das etwa 2,2 Milliarden Euro. Die Differenz resultiert insbesondere aus höheren Preisen der Baubranche.

Nachdem in drei Bundesländern die Hochwasserlage angespannt bleibt, sind genauere Zahlen nach Information einer GDV-Sprecherin an das VersicherungsJournal nicht vor nächster Woche zu erwarten.

Währenddessen geht Fitch Ratings von einem Schadenaufkommen von bis zu drei Milliarden Euro aus. Zu erwartende Schäden von 2,5 Milliarden Euro hat auch die aktuarielle Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) errechnet. Die Experten des Dienstleisters Aon Holding Deutschland GmbH siedeln die Schäden sogar bei vier Milliarden Euro an.

Auswirkungen auf die Versicherungsbranche

In Bezug auf die Jahresergebnisse der Versicherer schätzt Fitch, dass sich die Netto-Schaden-/Kostenquote letztlich um zwei bis drei Prozent erhöhen wird. Die Ratingagentur kommt zu der Auffassung, dass das versicherungstechnische Ergebnis dennoch positiv auslaufen wird. Das war nach der Flut 2003 anders, hier hatten die Schaden-/Unfallversicherer ein verheerendes Ergebnis erzielt (VersicherungsJournal 16.6.2003).

Fitch setzt die letztjährige Schaden-/Kostenquote im Marktdurchschnitt zwischen 96 und 97 Prozent an. Die gestiegenen Versicherungsprämien würden daher ausreichen, die Hochwasserschäden zu kompensieren. Wohngebäude zu versichern ist in der Vergangenheit deutlich teurer geworden, weil einige Versicherer Beitragsanpassungs-Klauseln nutzten (VersicherungsJournal 12.11.2012) oder wie jüngst der Ergo-Konzern Sanierungsbemühungen vorantrieben (VersicherungsJournal 28.5.2013).

Geht man von einem jährlichen Schadenaufkommen von circa 50 Milliarden Euro für die Schaden-/Unfallversicherung aus, bilden die zu erwartenden Hochwasserschäden einen Anteil von circa fünf bis sechs Prozent. Die Auswirkungen auf die Kreditprofile der Versicherer seien damit laut Fitch relativ gering.

Sollten sich die Zahlungen in dieser Größenordnung bewegen, wäre das durchaus im Rahmen des normalen Schadenbudgets, äußerte auch der Versicherungsanalyst Philipp Häßler von der Equinet Bank AG gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Höhere Kosten für Allianz in Deutschland

In dieser Woche hatten mehrere Versicherer konkrete Zahlen vorgelegt, nachdem die ersten Schätzungen sich bereits in Richtung der Summen aus 2002 bewegt hatten (VersicherungsJournal 7.6.2013).

Der Analyst Michael Huttner von JPMorgan Asset Management schätzt, dass das Hochwasser die Allianz Deutschland mit 350 Millionen Euro etwas teurer zu stehen kommen dürfte als die Flut 2002 mit 330 Millionen Euro (VersicherungsJournal 15.11.2002). Die Allianz ist in den betroffenen Gebieten in Ostdeutschland stark engagiert. Die angepeilte Schaden-/Kostenquote von 94 Prozent sieht Huttner für den Branchenprimus aber nicht gefährdet.

Europaweit wird der Schaden für die Allianz geringer ausfallen als 2002: Huttner rechnet mit 460 Millionen Euro einschließlich Tschechien und Österreich. Das wären 250 Millionen Euro Schadenaufwand weniger als vor elf Jahren.

Öffentliche Versicherer stark betroffen

SV SparkassenVersicherung Holding AG und die Versicherungskammer Bayern (VKB), die über besonders viele Elementarpolicen verfügen, rechnen mit Schadensummen von 40 beziehungsweise 50 Millionen Euro. 7.500 Schadensmeldungen haben die SV bereits erreicht. Die VKB gehörte 2012 zu einem der fünf Wohngebäudeversicherer mit positiver Versicherungstechnik (VersicherungsJournal 10.12.2012).

Die Generali-Gruppe veröffentlichte am Mittwoch eine voraussichtliche Gesamtschadenhöhe für Deutschland, Österreich und Tschechien von 100 Millionen Euro.

Mindestens gleiche Schadensumme wie 2002

Bei der Wüstenrot & Württembergischen AG werden Schäden von gut 50 Millionen Euro für das aktuelle Hochwasser erwartet (2002: 44 Millionen Euro). Auch die Signal Iduna Gruppe rechnet mit der gleichen Größenordnung, und damit mehr als im Jahr 2002.

Die Gothaer Allgemeine AG sieht eine ähnliche Tendenz. Gegenüber dem VersicherungsJournal erklärte ihr Vorstandschef Thomas Leicht: „Mittlerweile gehen wir davon aus, dass wir bei der Schadenhöhe das Niveau von 2002 übersteigen werden.“ Per 12. Juni 2013 sind dort 1.318 Schadenmeldungen eingegangen. Das Volumen beläuft sich auf 29,6 Millionen Euro, womit die 30,2 Millionen Euro aus 2002 fast erreicht sind.
VersicherungsJournal.de, 14. Juni 2013, von Stefanie Steible

Die R+V Allgemeine Versicherung AG spricht von einem Spitzenschaden und prognostiziert mindestens die gleiche Schadenhöhe wie 2002, nämlich 60 Millionen Euro. Bisher wurden mehr als 3.500 Schäden in der Sach- und Kfz-Versicherung gemeldet wurden. Der Schadenaufwand belaufe sich auf über 25 Millionen Euro.

Die Bayerische lag am Mittwoch bei der Bilanzpressekonferenz (VersicherungsJournal 12.6.2013) nach Auskunft ihres Vorstandes Dr. Hartmut Wiedey bei 30 Schadenmeldungen und rechnet mit etwa 300 Stück, ohne konkrete Zahlen zur Schadenbelastung zu nennen.

Veränderte Schadenlage

Im Vergleich zu 2002 fallen höhere Schäden im privaten und gewerblichen Bereich an, weil heute mehr Gebäude gegen Elementargefahren versichert sind. Damals war die Industriesparte mit einigen Großschäden bei der Deutschen Bahn und der Telekom am stärksten betroffen.

Dr. Ulrich Ebel, Meteorologe und Experte für Naturgefahren bei MSK, sagt: „Aufgrund niedrigerer Fließgeschwindigkeit und besserem Risikomanagement erwarte ich hier geringere Schäden. Auch im Kasko-Bereich sollten die Schäden geringer ausfallen, da die Vorwarnung verbessert wurde.“

Auffällig ist, dass das Hochwasser dieses Mal auch Regionen traf, die risikotechnisch als gering eingestuft waren. Dort war der Elementarschutz bisher zu regulären Tarifen, das heißt ohne Zuschläge, versicherbar. Die Prämien in diesen Gebieten werden für die Zukunft wohl neu kalkuliert werden.

Höherer volkswirtschaftlicher Schaden

Fitch erklärte weiter, dass die versicherten Schäden weit unter den volkswirtschaftlichen Schäden von geschätzten zwölf Milliarden Euro liegen werden. Das ist der Fall, weil die Durchdringung mit Elementarversicherungs-Schutz zwar in den letzten Jahren gestiegen, aber bei weitem nicht vollständig ist. Selbstbehalte in den Policen senken außerdem die Entschädigungs-Leistungen.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ordnet den volkswirtschaftlichen Gesamtschaden bei elf Milliarden Euro ein. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW Köln) setzt dagegen nur sechs Milliarden als Schadenhöhe an. Nach Meinung des Kölner Institutes ist weniger Infrastruktur zerstört worden als in 2002.


Nachträgliche Ergänzung (14. Juni, 8:40)

Heute Morgen teilte die Allianz Gruppe mit, dass die Bruttobelastung durch die derzeitigen Hochwasser in Deutschland, Österreich und Teilen Mitteleuropas voraussichtlich mehr als 0,5 Milliarden Euro betragen wird. Das Ausmaß dieser Naturkatastrophe wird nach Unternehmensangaben die Rückversicherungs-Deckung der Allianz auslösen, was die Nettoschadenhöhe auf rund 350 Millionen Euro begrenze. Aktualisierte Zahlen zu den Auswirkungen des Hochwassers sollen im Rahmen der Ergebnisse des zweiten Quartals am 2. August 2013 bekannt gegeben werden

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