- Das Juli-Hochwasser hat gezeigt, dass Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle spielen sollte – auch für Versicherer.
- In der Schadenregulierung kann dies etwa durch Verwendung umweltfreundlicher Baumaterialien und einen hochwasserresistenteren Wiederaufbau geschehen – sowie durch ein Hinterfragen, ob in stark hochwassergefährdeten Gebieten neue Gebäude entstehen sollten.
- Für eine bessere finanzielle Absicherung gegenüber zukünftigen Hochwasser-Ereignissen oder anderen Naturkatastrophen, wäre eine höhere Anbündelung der Elementarversicherung in der Gebäude- und Hausratversicherung empfehlenswert. Auch eine Pflichtversicherung hat wesentliche ethische Argumente auf ihrer Seite.
- Versicherer sollten ihre Klimamodelle optimieren, Kapitalanlagen klimaschonend ausrichten, nachhaltige Produkte anbieten und dabei „Greenwashing“ vermeiden.
Das Tief BERND und das Hochwasser vom Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben uns vor Augen geführt, dass (auch) durch den Klimawandel verstärkte Naturkatastrophen nicht nur ein Problem ferner Länder sind, sondern uns mittlerweile auch direkt betreffen. Im Umgang mit dem Hochwasser und den daraus zu ziehenden Lehren spielt das Thema Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle. Dies beginnt bei der Bewältigung der Schäden, die durch das Hochwasser entstanden sind, beinhaltet aber auch die Vorsorge für künftige Katastrophen und nicht zuletzt mögliche Wege, die zu einer „nachhaltigen Gesellschaft“ führen können.
Nachhaltige Bewältigung des Juli-Hochwassers
Viele Häuser und Wohnungen in den betroffenen Gegenden sind komplett oder größtenteils zerstört. Dies ist ein tragisches Ereignis für alle Beteiligten. Es sollte aber zumindest die Chance ergriffen werden, die Schadenregulierung besonders nachhaltig zu gestalten. Unter dem bisher bewusst nicht genauer definierten Begriff „Nachhaltigkeit“ verstehen wir hier insbesondere zwei Aspekte: Zum einen sollte bei den Reparaturen und sonstigen Schadenbeseitigungen auf die Verwendung besonders umweltfreundlicher Materialien mit entsprechenden Siegeln und eine allgemein ressourcenschonende Regulierung Wert gelegt werden. Das ein oder andere als nachhaltig vermarktete Produkt wirbt mit solchen nachhaltigen Schadenregulierungen, die bei der Kundschaft gut ankommen. Wenn nun auch im Gesamtbestand bei der Schadenregulierung von Seiten der Versicherer auf Nachhaltigkeit Wert gelegt wird bzw. entsprechende Anreize gesetzt werden, kann die Versicherungsbranche auf der einen Seite einen positiven Beitrag zum Umweltschutz leisten und auf der anderen Seite auch einen positiven Effekt für ihr Image erreichen. Außerdem sollte beim Wiederaufbau auch direkt der Schutz gegen zukünftige Hochwasser beachtet werden. Das kann beispielsweise bedeuten, dass ein Neubau in einem stark hochwassergefährdeten Gebiet hinterfragt wird oder bauliche Maßnahmen getroffen werden, die ein Eindringen von Wasser bei Starkregen-Ereignissen erschweren.
Nachhaltiger Umgang und Wappnen für zukünftige Naturkatastrophen
Zu einer nachhaltigen Schadenregulierung gehört wie erwähnt das Vorbeugen gegen Schäden bei zukünftigen Hochwasser-Ereignissen. Unter diesem Aspekt lassen sich weitere Punkte nennen. So wäre es auf jeden Fall nachhaltig, eine höhere Anbündelung der Elementarversicherung in der Gebäude- und Hausratversicherung zu erreichen.
Die nun hoffentlich geschärfte Nachfrage von Seite der Versicherten – kombiniert mit einem verstärkten Angebot von Seiten der Versicherer oder auch einer Opt-Out-Option statt Opt-In – sollten die Anbündelung deutlich erhöhen.
Natürlich kommt man auch um das Thema Pflichtversicherung nicht herum. Wie Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) schon früher erläuterte (Grotefeld/Siems, Zeitschrift für Versicherungswesen 24/2013), ist eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden grundsätzlich keine Utopie. Sie zu fordern, stellt keine schnell dahingesagte politische Floskel dar. Nicht nur hat sie wesentliche ethische Argumente auf ihrer Seite – auch wirtschaftlich und versicherungsmathematisch ließe sie sich auf ein realistisches und vernünftiges Fundament stellen.
Zudem sollten die Versicherer weiterhin viele Bemühungen in die Anpassung und Optimierung ihrer Klimamodelle stecken. Das Juli-Hochwasser wirft die Frage auf, wie häufig wir vergleichbare Ereignisse in der Zukunft erwarten können. Bisherige Klimamodelle haben einem solchen Ereignis eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit beigemessen. Eine besondere Schwierigkeit war, dass die reinen Regenmengen zwar hoch waren, aber nicht völlig außergewöhnlich ausfielen. Es waren vielmehr die regionalen Gegebenheiten, die auf den Fluss der Regenmassen einwirkten und damit erst zu den katastrophalen Folgen führten. Optimierte Klima- und Starkregenmodelle sollten dafür genutzt werden, auch solche Gegebenheiten zu erkennen und gegebenenfalls Handlungsempfehlungen abzuleiten. Wenn solche optimierten Modelle eine erhöhte Gefahr von großen Schadenereignissen prognostizieren und daraus höhere Versicherungspreise resultieren, muss dies jedoch auch von der Bevölkerung akzeptiert werden und sollte nicht erneut in einer zu geringen Abdeckung von Versicherungsschutz resultieren.
Klimaschutz und Weg zu einer „nachhaltigen Gesellschaft“, auch durch nachhaltige Versicherungen
Abseits von den bisher dargestellten konkreten Handlungsempfehlungen in Bezug auf das Juli-Hochwasser hat dieses auch ganz allgemein gezeigt, dass effektiver Klimaschutz immer wichtiger wird und jeder Schritt hin zu einer „nachhaltigen Gesellschaft“ dabei helfen kann, weitere negative Folgen des Klimawandels abzumildern. Auch die Versicherungsbranche kann und muss ihren Beitrag dazu leisten. Viele Versicherer haben dies erkannt und positionieren sich als nachhaltig mit entsprechenden Ausrichtungen ihrer Kapitalanlage oder auch dem Angebot nachhaltiger Produkte. Die Tatsache, dass nur rund vier Prozent der jährlich neu emittierten Anleihen „grün“ sind und davon auszugehen ist, dass deutlich unter 10% der Kapitalanlagen der Versicherungsbranche nachhaltig angelegt sein dürften, zeigt aber, dass hier noch mehr zu tun ist, als manch eine Hochglanzbroschüre vermuten lässt.
Die Gefahr des Greenwashings und eines damit einhergehenden möglichen Vertrauensverlustes bei Kundinnen und Kunden betrifft auch die Produktebene. Alleine die Tatsache, dass Wenigfahrer günstigere Tarife bekommen, macht eine Versicherung beispielsweise nicht nachhaltig, denn das war auch schon vorher der Fall.
Aber es zeigen sich auch einige echte positive Entwicklungen. Verschiedene Formen des nachhaltigen Schadenersatzes oder auch Anreize zum Umstieg auf emissionsärmere Fahrzeuge oder Geräte sind hier besonders zu erwähnen. Eine gerade für Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) besonders interessante Fragestellung, auf die uns noch keine abschließende Antwort bekannt ist, betrifft die aktuarielle Wertigkeit von nachhaltigen Kund:innen. Sind Personen, die gewisse nachhaltige Verhaltensweisen zeigen, bei verschiedenen Versicherungsprodukten auch bessere Risiken? Antworten auf diese Frage sind interessant für zukünftige Tarifierungen.
Abschließend lässt sich sagen, dass Versicherer in der aktuellen Situation nach dem Juli-Hochwasser und mit der allgemeinen Aufmerksamkeit für den Klimawandel viel Positives bewirken und ein wichtiges Signal senden können. Das Thema ist allgegenwärtig und es gibt viele gute Ansätze im Markt. Es ist dabei aber entscheidend, dass die Versicherer das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz ebenso glaubwürdig wie ganzheitlich vermitteln und umsetzen.
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Thilo Guschas
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Über MSK
Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) wurde 1998 in Köln als erste deutsche aktuarielle Beratungsgesellschaft gegründet und begleitet Schaden- und Unfallversicherer in strategischen und operativen Fragen. Schwerpunkte liegen in Datenpools, Tarifierung, Telematik, Cyber, Nachhaltigkeit, Bilanzbewertungen, Rückversicherung, Solvency II und EbAV II. Seit 2011 ist das Informationssicherheitsmanagementsystem von MSK nach ISO 27001 zertifiziert.