- Klimawandel, Regulatorik und eine mögliche Pflichtversicherung führen zu zusätzlichem Kapitalbedarf von bis zu 80 Mrd. Euro
- Private Sachversicherung ist bereits jetzt äußerst kapitalintensiv und liefert nicht die dazu notwendige Ertragskraft
- Adressgenaue Tarifierung mithilfe von KI-gestützten Modellen ermöglicht Rückkehr in die Profitabilität
Steigende Anforderungen durch den Klimawandel, regulatorische Änderungen der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA und die mögliche Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden führen bei Wohngebäude- und Hausratversicherern in Deutschland zu einem Anstieg des unter Solvency II notwendigen Kapitalbedarfs um 30 Milliarden Euro. Das hat die aktuarielle Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) in einer aktuellen Analyse ermittelt.
Die aktuariellen Experten von MSK gehen davon aus, dass von diesem erhöhten Kapitalbedarf etwa 50 Prozent auf Klimawandel und Inflation sowie 50 Prozent auf Regulatorik und Pflichtversicherung entfallen. Die von der EIOPA vorgeschlagene Rekalibrierung des NatCat-Moduls betrifft in Deutschland nur das Hagelrisiko, sodass der Kapitalbedarf für die Sachversicherung nur marginal steigt. KFZ-Versicherer sollten im Bereich der Kaskoversicherung jedoch von einem Anstieg des Brutto-SCR (Solvency Capital Requirement) um 29% ausgehen.
Die Elementarschaden-Pflichtversicherung wird im aktuellen Bundestagswahlprogramm zwar nur von der Union gefordert, doch auch SPD, Grüne und Die Linke stehen einer Pflichtversicherung positiv gegenüber. In einer künftigen Bundesregierung ohne potenzielle Beteiligung der FDP erscheint die Einführung einer Pflichtversicherung daher als realistischer Bestandteil des Koalitionsvertrages.
Bereits heute muss in der privaten Sachversicherung etwa das Doppelte des Prämienvolumens als Kapital vorgehalten werden. Bei einer angenommenen Verzinsung des Kapitals von 10% ist somit eine Combined Ratio von etwa 80% notwendig, von der der Markt aktuell selbst bei ausbleibenden Naturkatastrophen weit entfernt ist. Die Analysen zum Kapitalbedarf basieren auf dem SCR gemäß Solvency II Standardformel für die jeweiligen Sparten vor Anwendung der Rückversicherung. Insofern kann der notwendige Kapitalbedarf sowie dessen Kapitalkosten durch die Erhöhung von Diversifikation gesenkt werden, z.B. durch einen cleveren Spartenmix oder durch Risikotransfer in globale und besser diversifizierte Rückversicherungsmärkte.
Eine Verbesserung der Brutto Combined Ratio ist insbesondere in der Wohngebäudeversicherung dennoch zwingend erforderlich. Neben allgemeinen Beitragsanpassungen und Preiserhöhungen bieten die MSK-Gebäudedaten weitere Möglichkeiten zur Ertragsverbesserungen durch gezielte Bestandsarbeit und differenziertere Tarifierung.
Die MSK-Gebäudedaten umfassen verschiedene aus der Adresse abgeleitete Merkmale und Indizes. Nach einer KI-basierten Berechnungslogik wird die Versicherungssumme eines Gebäudes ermittelt. Darüber hinaus werden zahlreiche risikodifferenzierende Merkmale für einzelne Gefahren ausgegeben, wie der Baumbestand in der unmittelbaren Umgebung, der Sturmschäden verursachen kann. Die Gebäudedaten berücksichtigen zudem die am Markt etablierte MSK-Starkregenzonierung, eine rein geophysikalische Starkregenmodellierung mit starker Risikodifferenzierung, die über die etablierten Elementarzonierungen hinausgeht.
Bisher nicht erfasste risikodifferenzierende Merkmale werden zusammengefasst und bieten Potenzial zur Verbesserung der Combined Ratio und damit eine Möglichkeit auch die aufgrund der Votalität notwendigen Kapitalkosten zu erwirtschaften. Gleichzeitig erfordern sie keine weiteren Kundeninformationen und halten damit die Antragswege schlank und einfach.
Tommy Berg, leitender Berater, MSK:
„Versicherer stehen vor enormen finanziellen Herausforderungen. Doch die Branche kann die Anforderungen meistern. Die Solvency-II-Quote der Unternehmen lag 2023 bei durchschnittlich 264 Prozent. Soll die Bedeckungsquote bei rund 260 Prozent gehalten werden, ist ein zusätzlicher Kapitalbedarf von bis zu 80 Milliarden Euro erforderlich.“
Onnen Siems, Geschäftsführer, MSK:
„Für Unternehmen mit einer niedrigen Solvenzquote wird es zunehmend schwieriger, den erhöhten Kapitalbedarf zu decken. Langfristig müssen sie ihr Angebot im Wohngebäudesegment überdenken. In solchen Fällen kann es zu Rückzügen aus dem Geschäftsbereich oder zu Fusionen kommen.“
Florian Bohl, leitender Berater, MSK:
„Mithilfe künstlicher Intelligenz kann das adressgenaue Pricing eine Verbesserung der Schaden- und Kostenquote um zehn Prozent erreichen. Das kann für Versicherer allerdings erst der Anfang sein – und der ist längst überfällig.“
Abbildung: KI-basierte MSK-Gebäudedaten
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Über MSK
Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) wurde 1998 in Köln als erste deutsche aktuarielle Beratungsgesellschaft gegründet und begleitet Schaden- und Unfallversicherer in strategischen und operativen Fragen. Schwerpunkte liegen in Datenpools, Tarifierung, Telematik, Cyber, Nachhaltigkeit, Bilanzbewertungen, Rückversicherung, Solvency II und EbAV II.