Thilo Guschas, Zeitschrift für Versicherungswesen, 14/2014
Optimismus für die K-Sparte -- Spagat bei Solvency II
Die diesjährige Tagung "Brennpunkt Rückversicherung" von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) setzte auf Praxisbezug. Ein mittelständischer Versicherer gab Einblick in seinen Umgang mit Rückversicherung im Zeitalter von Solvency II. Neben konkreten Umsetzungsoptionen zu FLAOR lieferte die Veranstaltung außerdem Gestaltungs- tipps zu einem scheinbar exotischen Phänomen, der Unfallkumule mit ihren vielen Spielarten.
Im Eröffnungsvortrag erläuterte Rolf Schrade, Vorstand der Fahrlehrerversicherung, die Sicht eines mittelständischen Versicherers auf die gegenwärtigen Rückversicherungsmärkte am Beispiel seines eigenen Unternehmens. Schrade beklagte den Verwaltungsaufwand durch Solvency II für kleinere Versicherer, hielt aber zugleich fest: "Die Rückversicherung der Fahrlehrerversicherung ist entsprechend der EU-weiten Anforderungen aus Solvency II gut aufgestellt". Mittelfristig rechnet Schrade damit, dass die "klimabedingten Großschäden zunehmen werden und Anforderungen hinsichtlich der Tarife und Bedingungen (Erstversicherung) und Prämien (Erst- & Rückversicherung) auslösen".
Onnen Siems, MSK-Geschäftsführer, sprach über den Praxistest, den das NatCat-Modell seiner Beratungsfirma 2013 durchlief. Eine erfreuliche Prognosegüte zeigte das Modell beim Orkantief "Christian". Das Modell basiert auf Schadenerfahrungen des SHU-Datenpools von MSK. "Mit Hilfe von Modellierungsergebnissen gelangen wir zu zukünftigen Aufwandsprognosen. Im Unterschied zu vielen anderen Ansätzen, die es auf dem Markt gibt, stützen wir uns daher auf keine Black Box, die von Außen nicht nachzuvollziehen ist. Alles ist transparent", verdeutlichte Siems. Möglich seien unternehmensindividuelle Schätzfunktionen unter Berücksichtigung des regionalen Exposures ebenso wie eine differenzierte Betrachtung von verschiedenen Versicherungssummenclustern.
Ralf Assenmacher (MSK) sprach über Prognosen für den deutschen K-Markt. Die Hagelschäden in 2013 seien in ihrem enormen Ausmaß nicht vorhersehbar gewesen, sagte Assenmacher. Der Hagel hätte in 2013 für Kasko eine Marktschadenquote von rund 16,2% verursacht -- was einem Überschaden von ca. 10 Prozentpunkten über dem inflationsbereinigten Mittel der letzten 20 Jahre entspricht. Für 2014 erwartet Assenmacher, dass der Anstieg der mittleren Beiträge abflachen wird. 2014 werde KH bei 2,2% liegen (2013 lag der Wert bei 4,2%) sowie Kasko bei 2,9% (2013: 5,4%). Insgesamt blickte Assenmacher optimistisch in die Zukunft: "Bei mittlerer Elementarbelastung ist ein positives versicherungstechnisches Ergebnis für 2014 in Höhe von 3,9% für K-Gesamt zu erwarten."
Proportionale Lösung für FLAOR
Die MSK-Berater Eva Nottenkämper und Tommy Berg referierten zu dem Thema "FLAOR und Rückversicherung -- ein proportionaler Ansatz". Zentrales Element des "Forward Looking Assessment of Own Risks" (FLAOR) bildet eine mehrjährige Planungsrechnung mit Fokus auf der Überdeckungsquote. Eine proportionale Betrachtung, wie MSK sie bietet, bildet die Auswirkungen verschiedener Szenarien auf die zukünftigen versicherungstechnischen Ergebnisse pro Sparte ab. Das wesentliche Risiko der Schaden-Unfall-Versicherer liegt in der Versicherungstechnik, welches in diesem Ansatz unternehmensindividuell abgebildet wird, wohingegen die übrigen Risikoklassen mit Hilfe der Standardformel approximativ dargestellt werden.
Berg demonstrierte anhand einer excel-basierten Anwendung, dass eine proportionale Lösung für FLAOR möglich sei. Doch die Proportionalität habe ihren Preis. "Manche Dinge sind ohne ein stochastisches Modell nicht möglich, wie zum Beispiel die Bewertung von Rückversicherungslösungen für seltene Ereignisse." Nottenkämper hob hervor, dass die FLAOR-Lösung jedoch erheblichen Mehrwert generiere. "Dies geschieht etwa durch die Entwicklung von Eigenkapital und Schwankungsrückstellungen. Zudem schließt FLAOR eine Analyse von Rückversicherungsstrategien sowie von Schadenszenarien mit ein."
Unterschätztes Kumulrisiko in Unfall
Professor Dr. Michael Fröhlich (Technische Hochschule Regensburg) sprach über "Kumule in der Unfallversicherung -- Eine unterschätzte Gefahr?". Fröhlich differenzierte zwei Formen von Kumulen. Beim Personenkumul seien mehrere versicherte Personen am gleichen Ort und zum gleichen Zeitpunkt einer gemeinsamen Gefahr ausgesetzt, zum Beispiel bei Reisen mit ein und demselben Verkehrsmittel. Beim Policenkumul hingegen habe der Versicherer Schäden für eine einzige Person zu decken, "dies aber in aufaddierter Höhe aus mehreren gleich- und verschiedenartigen Unfallpolicen", so Fröhlich.
Ferner erläuterte Fröhlich eine typische Ereignisdefinition in einem Kumul Unfall XL per event. Dabei seien alle Versicherungsfälle gedeckt, die auf ein und denselben Unfall zurückzuführen sind, "soweit Leistungen für zwei oder mehr (two risk warranty) versicherte Personen oder Leistungen für eine Person aufgrund von zweioder mehr(two risk warranty) laufenden Policen zu erbringen sind und der Kumul unbekannt war bzw. nicht festgestellt werden konnte." Dabei versichere ein Rückversicherer gegen die Akkumulierung von Katastrophen. Die Parameter für einen Kumul Unfall XL seien dabei Deckungsumfang, Mindestanzahl an Versicherungsfällen, Priorität, Kapazität pro Ereignis und pro (Versicherungs-) Periode. Üblich seien ferner Ausschlüsse wie Krieg oder Strahlungsrisiken.
Fröhlich empfahl: "Bei einer Gruppenpolice mit Personenkumul-Exponierung sollte von vornherein zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer das Kumullimit verhandelt werden. Muss neben vielen Toten auch mit vielen Verletzten gerechnet werden, empfiehlt sich die Annahme eines durchschnittlichen Invaliditätsgrad von 50%, sodass nur die halbierten Invaliditätssummen zu addieren sind." Dabei ergänzte Fröhlich: "Verhalten sich diese in der betreffenden Police zu den Todesfallsummen wie 2:1 (wie oft in Deutschland der Fall), so kann die angenommene Zahl der Opfer einfach mit der durchschnittlichen Todesfallsumme des Vertrags multipliziert werden."