Bocquel-News.de, 26. August 2013
Mehrere Milliarden Euro kosten die Schäden, die Unwetter und Hagelschlag in diesem Jahr verursacht haben - und das noch vor Beginn der Wintersturmsaison. Allein der Hagelsturm „Andreas" könnte Erst- und Rückversicherer deutlich teurer zu stehen kommen.
Was zuletzt noch als schwere Wetterkapriolen bezeichnet wurde, sprengt den bisher geschätzten Kostenrahmen der Versicherer empfindlich. In der jüngsten Schadenbilanz der aktuariellen Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) heißt es, dass sich die extremen Wetterschäden in Deutschland in diesem Jahr einer Höhe von 5 Milliarden Euro nähern. Die ersten Schadenprognosen nach dem Hagelsturm „Andreas" hätten meist zu niedrig gelegen, verkünden Wetterexperten. „Schadenupdates der Versicherer zeigen deutliche Steigerungen des Schadenausmaßes", sagt MSK-Meteorologe Dr. Ulrich Ebel. „Es teilt sich in 800 Millionen Euro für Kfz-Kasko und 700 Millionen Euro für Sach (Gebäude)", so Ebel weiter.
Die hohen Kosten - noch vor Beginn der Wintersturmsaison - lasten auf der Versicherungswirtschaft. Nach 2,5 Milliarden Euro versicherter Schäden für das Hochwasser im Juni kommen demnach noch einmal 1,5 Milliarden Euro durch das Sturmtief „Andreas" Ende Juli hinzu. Wie es in einer MSK-Mitteilung heißt, wurden dabei bisher die Schäden durch „Manni/Norbert" im Juni kaum beachtet, die von MSK-Experten auf 500 Millionen Euro schätzt werden. Das jüngste Hagelereignis „Dirk" sei ebenfalls unberücksichtigt geblieben.
Seit Jahresbeginn schon 1,1 Milliarden Euro Kasko- und Kfz-Schäden
„Einzelne Versicherer kaufen jetzt schon Rückversicherung nach, da ihre Haftungsstrecken abgeräumt sind", sagt MSK-Geschäftsführer Onnen Siems. „Alleine die Kasko-Schäden aus Flut und Hagel in der Autoversicherung betragen seit Jahresbeginn bereits 1,1 Milliarden Euro. Das wird die kombinierte Schaden-Kosten-Quote bei den Autoversicherern im Schnitt um 12 Prozentpunkte verschlechtern", so Siems weiter. „Die lang erwartete positive Trendwende im Kfz-Geschäft, die erst vor kurzem begonnen hat, wird damit unterbrochen. Erstversicherer werden darüber nachdenken, verstärkt Rückversicherungsschutz einzukaufen. Mit der Nachfrage steigt auch der Preis."
Wie das Handelsblatt zum Wochenende mitteilte, wurden die Auto- und Wohngebäude-Schäden durch Hagelsturm „Andreas" auf 600 Millionen Euro geschätzt. Im Handelsblatt-Gespräch sagte Michael Pickel, Vorstandsmitglied des Rückversicherers Hannover Rück SE, dass er mit einer höheren Summe rechne. 600 Millionen Euro für Auto- und Wohngebäudeschäden seien zu niedrig angesetzt. „Ich halte eine Zahl deutlich über eine Milliarde Euro für realistisch", sagte er zu Handelsblatt Live, der iPad-Ausgabe des Handelsblatts.
Das laut Wetter-Experten auf 5 mal 27 Kilometer große Unwetter-Tiefdruckgebiet ist demnach vor allem über die vier baden-württembergischen Landkreisen Reutlingen, Tübingen, Göppingen und Esslingen hinweggefegt. Binnen 15 Minuten sollen dabei mehr Schäden als bei der „Münchener Hagelwalze" aus dem Jahr 1984 verursacht worden sein. Bislang galt das Hagelunwetter von 1984 als größtes Hagelschadenereignis in Deutschland.
Allein beim Marktführer in dem Bundesland, die SV Sparkassenversicherung, zählte bisher insgesamt gut 70.000 Schäden mit einem Schadenaufwand von 600 Millionen Euro. Das bedeute 40 Millionen Euro Schaden pro Minute, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. „Einen Elementarschaden dieser Größenordnung haben wir noch nicht erlebt," sagte SV-Chef Ulrich-Bernd Wolff von der Sahl.
Schwankungsrückstellungen gehen zur Neige
Kurz bevor die weltweit tätigen Rückversicherer zu ihrem alljährlichen Branchen-Treff vom 7. bis 11. September in Monte Carlo zusammen kommen, vermutet Michael Pickel, dass die vielen Unwetter in diesem Jahr Auswirkung auf die Prämien in der Autoversicherung haben werden. Dazu muss man wissen, dass alljährlich im September im monegassischen Fürstentum erste Trends zur möglichen Verteuerung oder Senkung der Schaden- und Unfall-Sparten bekannt werden. Pickel begründet seine Prognose für steigende Preise so: Die Schwankungsrückstellungen bei den Endkunden-Versicherern gingen zur Neige. Mit dieser zusätzlichen Kapitaldecke würden Versicherer die unterschiedlich hohen Schadenssummen über die Jahre abfedern. Wie Pickel hinzufügte, sei dieser Block bei einigen Gesellschaften so gut wie abgeschmolzen. „Es war schon immer so, dass Erstversicherer die Prämien angehoben haben, wenn der Topf für die Schwankungsrückstellungen leer war. „Es sollte mich wundern, wenn es diesmal anders wäre."
Beim weltweit drittgrößten Rückversicherer Hannover Rück hätten in diesem Jahr bereits mehrere Gesellschaften schon „außerordentlich oft Rückversicherungsschutz" bei Unternehmen nachbestellt. Laut Michael Pickel sei das eher unüblich und vor allem teurer. „Der Aufschlag hierfür kann bis zu 100 Prozent betragen, erst recht wenn sowohl Schäden durch Hagel als auch durch Sturm abgedeckt werden."
„Unsere Regulierer haben mittlerweile tausende Gebäude besichtigt, sie berichten übereinstimmend von ungewöhnlich großen Schäden," heißt es unterdessen bei der SV Sparkassenversicherung. SV-Vorstand Klaus Zehner, der für den Bereich Schaden/Unfall zuständig ist, ergänzt: „Wir gehen wir mittlerweile von einer durchschnittlichen Schadenhöhe von 8.000 Euro aus." Dieser Wert liege deutlich über den langjährigen Erfahrungswerten der SV für Hagelschäden.
Bisher sei der Sturm „Lothar" von 1999 mit rund 500 Millionen Euro der teuerste Schaden in der Geschichte der SV gewesen. Der Hagelsturm in diesem Jahr werde sich in der Bilanz bemerkbar machen. Ein großer Teil der Schadensumme würde aber von Rückversicherern übernommen werden. „Da wir in Baden-Württemberg rund 70 Prozent aller Wohngebäude gegen Elementarschäden versichern, haben wir eine ausgefeilte Rückversicherungsdeckung, die in solchen Situationen greift," fügt Wolff von der Sahl hinzu.
Bis zu 8 Millionen Euro pro Tag
Die SV arbeitet eigenen Angaben zufolge mit allen Kräften an der Regulierung der Schäden. Bis zu 8 Millionen Euro pro Tag habe die SV in den letzten Wochen an Kunden ausbezahlt. Mittlerweile seien zudem über 10.000 Gebäude besichtigt worden; die übrigen stehen demnach in den nächsten beiden Wochen an.
Wie es weiter heißt, macht der Anteil der beschädigten Autos und Kfz-Versicherungs-Verträgen an den Gesamtschäden bei der SV rund 6.000 Schäden mit einem Aufwand von annähernd 20 Millionen Euro aus.
Weiteres Hagelereignis im Zollern-Alb-Kreis
„Die Wetterlage hatte sich Anfang August nur wenig geändert, so dass es im Zollern-Alb-Kreis am 6. August ein weiteres Hagelereignis gab", sagt ein SV-Sprecher. Auch hier seien die Hagelkörner außergewöhnlich groß gewesen. Die SV rechnet hier mit rund 10.000 Schäden und einer Schadenhöhe von über 40 Millionen Euro.